Communism

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Montag, 25. Januar 2016

Interview mit Nenad Popovic von Refugee Aid Serbia

Foto von Refugee Aid Serbia

Bei Souciant erschien jetzt mein Interview mit einem der Mitbegründer dieser Belgrader Flüchtlingshilfsorganisation. Die deutsche Version gab es letzte Woche im Neuen Deutschland. Es ist sehr schwer abzusehen, wie die Situation auf dem Balkan entwickeln wird, ob vielleicht sogar die Grenze in Mazedonien bald endgültig abgeriegelt ist. Aber die Menschen finden immer einen Weg, ob zu Fuß über die grüne Grenze, ob mit Schleppern... Der Exodus über den Balkan wird sich wohl auch diesen Sommer wiederholen.
It looks like crisis is growing and Belgrade may have that “Casablanca” feel again, with a plenty of desperate people floating around or ending in the hands of traffickers.
We really have no clue what is the solution, as long as there are obstacles to the free travel. Open the borders and save them.
Ich will aus diesem Anlass auch noch mal auf meinen Bericht aus Belgrad im September verweisen. Damals schrieb ich:
Der Staat Serbien, der noch in den letzten Jahren eines der höchsten Haushaltsdefizite Europas auswies, führt gerade eine schonungslose Sparpolitik durch – unter den zustimmenden Blicken Europas und des Internationalen Währungsfonds. In Folge der Privatisierungen und der Austeritätsmaßnahmen wird für das kommende Jahr ein Anwachsen der Arbeitslosenquote auf über 20% erwartet. Laut amtlichen Quellen haben allein im ersten Halbjahr 2015 über 11.000 Serben das Land auf der Suche nach einem besseren Leben verlassen, 85% von ihnen Roma. Fast kein Flüchtling will in Serbien bleiben, das war immer die Grundannahme hinter der serbischen Flüchtlingspolitik.
Was wird passieren, wenn nicht nur den serbischen Emigranten, sondern auch den Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten im Mittleren Osten die Einreise nach Europa versperrt wird? Bisher gibt es fast keine Unterkünfte für Flüchtlinge, in denen sie den nahenden Winter verbringen könnten. Doch selbst wenn diese – mit Unterstützung der EU – errichtet werden könnten, wäre damit das Problem der Westbalkanroute einfach nur aus dem Schengenraum exportiert – und damit dem schwächsten Glied in der Kette aufgebürdet. Zwar gibt es mit Serbien ein Rückübernahmeabkommen, welches EU-Staaten erlaubt, Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, wieder nach Serbien zurückzusenden, aber schon jetzt protestiert die serbische Regierung verzweifelt dagegen, dass sich europäische Regierungen – dem Vorbild Ungarn folgend – dieses Rechts tatsächlich bedienen könnten.
Noch gelingt vielen irgendwie die Ausreise. Aber wenn die Grenzen nach Europa irgendwann geschlossen bleiben, und sich die Flüchtlinge der Westbalkanroute in Serbien zu stauen beginnen, könnte Serbien im Gegensatz zu den reicheren EU-Staaten sehr schnell überfordert sein. Man kann nur hoffen, dass Europa es nicht soweit kommen lassen wird.
Daran sollte man immer denken, wenn etwa behauptet wird, es hätte eine Alternative dazu gegeben, damals die Grenzen zu öffnen.

Nenad Popovics Reise nach Griechenland kann man hier mit Spenden unterstützen.

Der Krieg gegen die Kurden

Ich liebe Twitter. Einmal weil es - und das ist jetzt etwas ambivalent - perfekt dazu geeignet ist, das nie abschaltende Hirn eines News-Junkies mit einem unfassbaren, permanenten Strom von Informationen zu versorgen (irgendwo auf der Welt tweeten die Leute immer.) Andererseits bietet Twitter die Gelegenheit, in bestimmten, kleineren Öffentlichkeiten mitzuhören und unmittelbare Eindrücke davon zu bekommen, was Menschen bewegt, die auch persönlich von Ereignissen überall auf der Welt betroffen sind. Ich folge zum Beispiel einigen Nigerianern, die ja dankbarerweise auf Englisch miteinander reden, aber auch seit längerem vielen Türken und Kurden, die sich auf Englisch oder Deutsch über den eskalierenden Bürgerkrieg in ihrer Heimat unterhalten. Zwischen dem immer hitziger werdenden Streit um die Flüchtlingspolitik oder die amerikanischen Vorwahlen, woraus mein sonstiger Feed im Moment vor allem zu bestehen scheint, schoben sich deshalb seit Monaten zunehmend düstere Nachrichten aus dem Kriegsgebiet und dem politischen Kampf in der Türkei. Wenn man bedenkt, auf welche vorsätzliche und planvolle Weise der Konflikt dort eskaliert worden ist (eskaliert mal als aktives Verb verwendet), finde ich es erstaunlich, dass in Europa und vor allem Deutschland noch so wenig davon zu spüren ist. Aber das wird wohl noch kommen. 

Jedenfalls berichtete jetzt auch die ARD über den Kampf des türkischen Staates gegen die Kurden:


Beitrag in Mediathek hier.

Sonntag, 24. Januar 2016

"Die AfD Sachsen-Anhalt will keine Revolution"

Gestern traf sich die AfD Sachsen-Anhalt zu einem Parteitag, der den Beginn des Wahlkampfes markieren sollte. Landesvorsitzender André Poggenburg beschrieb dort seine Partei als "liberal- und nationalkonservative Partei Mitte-Rechts" - nur um dann heute das erste Interview des Wahlkampfes in der Compact zu lancieren. Auch hier spricht er viel von Bürgerlichkeit, das Thema Asyl und Einwanderung ist offenbar bewusst ausgespart. Aber wie heißt es so schön: the medium is the message

Auch interessant ist seine Antwort auf die Frage, wie man es mit dem Rechtsextremismus halte: 
Die AfD lehnt die politische Gewalt ab, egal ob rechts, links oder aus religiösen Motiven. Bei einigen im Landtag vertretenen Parteien bin ich mir da gar nicht so sicher, ob das nicht insgeheim anders gesehen wird. Unsere klare, bejahende Haltung zum 20. Juli 1944 dürfte für jeden bekennenden Nazi eine aussagekräftige Wirkung haben. 
Nun kann man ja ziemlich rechts sein und trotzdem den realexistierenden Nationalsozialismus ablehnen. Man kann auch Faschist sein und Stauffenberg verehren. Mit dieser Antwort bekennt sich Poggenburg, wie ich es sehe, als Zögling der Neuen Rechten, die zwar die Gewalt ablehnen mag, aber eben auch die Demokratie wie wir sie heute verstehen. (Wer einen Eindruck davon gewinnen will, was Stauffenberg der Neuen Rechten bedeutet, und wofür die Wirmer-Fahne genau stehen soll, der lese diesen Text. Kontrakultur ist ein kleines neu-rechtes, identitäres Projekt hier aus Ostdeutschland. Sie mögen Kampfsport und keine Ausländer und sind seit kurzem in Halle mehr aktiv.)
Am 27.01. beginnt die AfD ihren Wahlkampf mit einer Kundgebung in Magdeburg, auf der auch Björn Höcke sprechen wird. Heute gab es eine Compact-Diskussionsveranstaltung in Dresden bei der Götz Kubitschek, Ellen Kositza (beide von der Sezession) und Jürgen Elsässer gemeinsam auftraten. Kubitschek und Elsässer unterstützen gemeinsam die Anti-Asyl-Initiative "Ein Prozent", die darauf hinarbeitet, lokale Proteste zu einer nationalen rechtsnationalen Bewegung zu vernetzen. Zuerst vorgestellt wurde die Inititaive "Ein Prozent" auf einer Compact-Konferenz in Berlin Ende Oktober. Und jetzt schaut einmal, wer da neben Prof. Schachtschneider, Kubitschek, Elsässer und dem österreichischen identitären Aktivisten Martin Sellner auf der Bühne stand...

Wer mehr über "Ein Prozent" erfahren will, und darüber, welche Kräfte in dieser Bewegung zusammenwirken, der kaufe sich bitte die nächste Ausgabe des Kreuzers

Sonntag, 17. Januar 2016

Quäl dich durch die coolen Bücher

In der Zeit gibt es einen Artikel, der uns vom "neuen literarischen Modetrend aus den USA[!!!!]" erzählt: "New Sincerity" nämlich.  Ich finde es etwas traurig, wie in Deutschland ständig irgendwelche New Yorker-Hipster-Phänomene, die schon dort nur einen kleinen, szenigen Kreis interessieren, im Feuilleton ausgebreitet werden. Besonders leid taten mir vor einigen Jahren all diese Leute, die so tun mussten, als hätten sie "Unendlichen Spaß" mit Genuss gelesen. Auch wenn ich David Foster Wallace mag - das habe ich ihnen einfach nicht abgenommen.

Ist es wirklich so langweilig hier, dass wir "jeden Dreck, der vom Westen kommt" für unsere Kulturartikelei ausschlachten müssen? Zugegeben, ab und zu trifft es ein würdiges Produkt der New Yorker Szene, wie etwa das kleine, aufstrebende sozialistische Magazin Jacobin (made in Brooklyn), über das schon eine ganze Reihe von Reportagen in Deutschland erschienen sind. Aber meist sind es eben solche langweiligen, sich selbst gut vermarktenden Produkte der dortigen Kulturschaffendenszenerie. 

Ich glaube auch, dass deutsche Feuilletonisten (kuhäugig die Weltstadt bewundernd) oft unterschätzen, wie professionell selbst eine 23-jährige amerikanische Dichterin in der Selbstinszenierung und Trendverkörperung vorgehen kann. "New Sincerity" ist zumindest ein reiner Merketingbegriff, in die Welt gesetzt von der langweiligsten, humorlosesten und karrierebewusstesten Autorenclique die man sich nur vorstellen kann. Und nicht Ausdruck eines "enttäuschten, romantischen Bewusstseins in einer hoffnungslos entromantisierten Welt". 

Im jungen deutschen Feuilleton, immer nach dem neusten hippen Trend schielend, finden diese literarischen Selbstvermarkter dann die nötigen leichtgläubigen Opfer: "Ob dieser roboterhafte Bekenntniston, in dem Sexualität und Seelenhaushalt geschildert werden, nun gut ist oder schlecht, ist zunächst gar nicht die Frage. Man muss erst einmal sagen: Er klingt neu." Na dann...man soll es wohl lesen als bitteren Dienst an der Trendigkeit, wie sehr es einen auch zu Tode langweilen mag...

Wer einen wirklich guten Roman aus New York lesen will, dem kann ich unbedingt "The Princess of 72nd Street" empfehlen. Auch dieses Buch passt, obwohl es zuerst 1979 erschien, perfekt in unseren Zeitgeist, erzählt es doch aus der unmittelbaren, ultra-subjektiven Perspektive einer manisch-depressiven, von den Männern gequälten, zwischen Unsicherheit und wahnhafter Selbstüberschätzung schwankenden jungen Künstlerin. Aber im Gegensatz zur flachen, humorlosen, desinteressierten und betäubten Schreibweise der Neuen Ernsten macht Elaine Kraf aus diesem Ansatz eine beeindruckende, derilierende und gleichzeitig schonungslos realistische literarische Seelenschau. Mit ihrem psychotischen, oft wild assoziierenden, surrealen Stil vollbringt sie in echt, was Beatautoren wie Ginsberg immer nur spielen konnten. Gleichzeitig ist das Buch unterlegt von einem harten, oft verstörenden Sinn für die Wirklichkeit. Und verdammt witzig ist es auch noch. Originell und geistreich eben, das trifft es.

Als das Buch zuerst erschien, hat niemand es beachtet. Erst vor kurzem gab es eine Neuausgabe, die ihm wenigstens ein paar Leser bescherte. Es wäre ein Buch, das es wirklich verdient hätte, auch auf Deutsch zu erscheinen. Ich vermute, dass Elaine Kraf, ähnlich wie die ebenfalls lange vergessene, große Jean Rhys, nie die Anerkennung gekriegt hat, die sie verdient hätte. Es trifft immer die Falschen. 


"Eine Verhärtung des politischen Klimas"

Ich habe ein paar Texte im Kreuzer veröffentlicht! In der aktuellen Ausgabe ist das eine Reportage über eine vom Legida-Millieu durchsetzte Diskussionsveranstaltung auf dem sächsischen Land ("Wutbürger und Plastikpalmen" lautet der Titel), in der nächsten Ausgabe dann eine Recherche über die Hintergründe und Absichten einer neuen rechten Vernetzungsplattform: Ein Prozent.

Der Kreuzer ist ein unabhängiges Stadtmagazin aus Leipzig, aber ein sehr gutes. Anstatt Kulturwerbetextchen als Begleitprogramm für Restaurantanzeigen findet man dort wirklich interessante und gut gemachte Texte und Journalismus. Ich hoffe, dass ich auch in Zukunft öfter für die schreiben kann. 

Und "Ein Prozent" ist ein sehr brennendes Thema im Moment, zumindest hier in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Es wird interessant sein, zu beobachten, wie der Wahlkampf der AfD sich zu den rechten Anti-Asylbewegungen verhält, wie direkt man da verschmelzen wird.

Eine Aktion von "Ein Prozent" ist übrigens eine Vorbereitung einer Verfassungsbeschwerde und "Massenklage" gegen die angeblich rechtsbrecherische Asylpolitik der Regierung. Angeleihert wird das von dem Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, der schon seit Jahren gegen die europäische Einigung Don Quijote-haft zu Felde zieht. 

Bemerkenswert finde ich, dass dieser Vorwurf des Rechtsbruches nicht nur aus der rechten Bewegung kommt, sondern auch von der CSU instrumentalisiert wird, die ja bekanntlich den konservativen Schriftsteller (über "Werte" und so) und ehemaligen Verfassungsrichter Udo di Fabio um ein entsprechendes Gutachten gebeten hat. Ich kann die rechtlichen Fragen natürlich nicht beurteilen, aber im Verfassungsblog zumindest kommen die zwei Professoren Jürgen Bast und Christop Möllers zu einem vernichtenden Urteil. Lesenswert ist ihr Fazit, in dem sie klarstellen, was es bedeutet, den Vorwurf des Rechtsbruches derart politisch zu instrumentalisieren - und das auch noch durch einen Teil der Regierungskoalition selbst:
Fazit: Das Gutachten nutzt fragwürdige staatstheoretische Argumente, um den Bund zu europarechtswidrigen Alleingängen anzuhalten, die dieser den Ländern angeblich verfassungsrechtlich schuldet. Das ist steil. Man kann dieses Gutachten auch als Zeugnis einer Verhärtung des politischen Klimas sehen, in dem nun ehemalige Verfassungsrichter ihre hohe Reputation dazu verwenden, einer demokratischen Regierung einen Rechtsbruch zu unterstellen, ohne diesen konkret benennen zu können. Sicherlich nicht bringt dieses Gutachten dagegen eine Absicht der Bayerischen Staatsregierung zum Ausdruck, gegen den Bund zu klagen. Dass eine Klage damit nicht zu gewinnen ist, wissen auch die erfahrungsgemäß hervorragenden Juristen in München.
Auch die AfD beginnt mich immer an die amerikanische Rechte zu erinnern, mit diesem hysterischen Verfassungsfetischismus. Seit Köln finden sogar die Waffennarren immer mehr Anklang:

20.11.2015, von seiner Facebookseite. Von mir geklaut vom rastlosen AfD-Beobachter Andreas Kemper.

Samstag, 16. Januar 2016

Das Elend hinter dem Phänomen Trump



Wir müssen uns Björn Höcke gerade als einen glücklichen Menschen vorstellen. Voller Freude und Elan, geradezu verzückt, dabei aggressiv und siegessicher, präsentierte er sich in der letzten Woche. Oder wie es in dem kürzlich erschienenen brutalen Focus-Artikel hieß: "mit glühendem Sendungsbewusstsein". Hier in Sachsen-Anhalt steht die Wahl bevor, und die AfD steht bei Umfragen bei 15%. Gleichzeitig ist auch im konservativen Establishment in den letzten Tagen spürbar ein Schalter umgelegt worden. Es geht nach rechts.

Weil ich demnächst den Wahlkampf hier in Sachsen-Anhalt verfolgen will, habe ich es mir angetan und zwei Reden von Björn Höcke aus den letzten Tagen angehört, eine in Merseburg gehalten, die andere in Erfurt. In Merseburg sagte er etwas sehr interessantes: Er redete davon, dass Deutschland in Wirklichkeit gar kein reiches Land sei. Dass viele Familien an Armut leiden, dass es ihnen selbst an genügend warmen Mahlzeiten fehlt. Dass der Staat zu wenig investiert. Und dass aber 900 Milliarden Euro angeblich für Flüchtlinge ausgegeben werden könnten. Ich will jetzt nicht fragen, wo er diese Zahl her hat, aber man muss bedenken, was er da ausdrücken wollte. Natürlich ist die AfD keine soziale Partei, ganz und gar nicht. Aber (es ist so offensichtlich) nur in abgehängten, resignierten, und von traditioneller linker/sozialer Politik enttäuschten Arbeiterschichten können rechte Parteien eine Massenbasis finden - auch wenn es eine Massenbasis für die Verachtung der Schwächeren und die Anti-Solidarität ist. Und gerade in "Mitteldeutschland", ehemals ein industrielles Zentrum des Landes und immer noch voller Zeichen des vergangenen Reichtums, lässt sich daraus ein mächtiger nationaler Erweckungsmythos stricken: Unsere große Zeit muss wiederkehren.

Das gilt auch für Amerika. Hintergrund des Phänomens Donald Trump ist die Verrohung weiter Teile der ehemaligen Mittelschicht. Und was sie so verrohen lässt, ist eben diese Tatsache, dass es eine ehemalige Mittelschicht ist, mit keinerlei Aussichten, je noch wieder etwas an ihrer Lage verbessern zu können. Und ohne Vertrauen, dass sich traditionelle politische Eliten überhaupt für sie interessieren. Einen konkreten Fall eines verarmten, vom zynischen Wohlfahrtssytem der USA ins absolute Elend gestürtzten weißen, älteren Mannes beschrieb vor kurzem Matt Bruenig. Es ist eine Geschichte, wie sie sonst nur in Statistiken auftaucht (über durch medizinische Notfälle verursachte Privatinsolvenzen etwa), die aber greifbar macht, was für eine Frustration und fehlgeleitete Wut Leute dazu bringt, jemanden wie Trump (und Höcke) zu unterstützen.

Und vor allem: Wie sehr man erst den Leuten einbläuen muss, dass es für ihre Probleme keine Lösung gibt, weil für sie kein Geld da ist, bevor sie auch anfangen das zu glauben, und sich im unmittelbaren Verteilungskampf mit den Fremden sehen. Bruenig schreibt:
He explained further that the bank bailout is just one part of a broader problem with the way the government spends money. Specifically, he thinks it spends too much money on foreign aid, refugees, and immigrants, when it should be spending it on struggling veterans, seniors, needy children, and those who cannot work. He also confirmed that he is, at least in some respects, a social conservative and that he believes abortion is murder. In the 2016 campaign, he says he wants a Trump and Cruz ticket and he doesn’t care who leads it. 

Donnerstag, 7. Januar 2016

Burschenschafts-Battle-Rap


Tja... was soll man dazu sagen? Ich glaube jemand von K.I.Z. bereitet ein Akustiksoloprojekt vor.
"Du hast keine Eier und noch nicht mal Waffenehre, wir pauken zu dem Sound, zu dem der Schläger trifft!"
Ich bin jetzt vollkommen überzeugt: Immer wen jemand gestochen von "Tradition" redet, meint er eigentlich: "Du Lauch, komm her! Ich ficke dich!"

Übrigens will ich dieses lächerliche Lied nicht unbedingt schlecht machen. So eine aggressive, narzisstische, gewaltverliebte Selbstherrlichkeit ist heutzutage derart Tabu, dass selbst viele Rechte verschämt herumdrucksen und von "Leitkultur" reden, wenn sie Unterwerfung meinen. Wie soll aber der Rest der Gesellschaft sie verstehen, wenn nicht einmal sie selbst sich ihre niederen (und lächerlichen) Beweggründe eingestehen wollen? Stattdessen immer diese würdevolle Pose... Da ist das hier wenigstens erfrischend ehrlich (und angemessen trashig).

Die Blaue Narzisse schreibt zum Beispiel zu diesem Lied:
Die Zeit, die der Hipster für die Auswahl seiner Kosmetikartikel sowie für trendige Accessoires wie Schuhe und Taschen aufwendet, nutzen die Anhänger der waffenstudentischen Jugendkultur lieber für gemeinschaftliche Arbeit, um junge Menschen mittels des Mensurfechtens und geistiger Auseinandersetzung mit politischen Themen in ihrer persönlichen Entwicklung zu stärken.

Die Frage, die sich jeder Jugendliche angesichts des derzeitigen geistigen und gesellschaftlichen Umbruchs stellen darf, ist folgende: Stecke ich Energie und Geld in äußerliche Dinge, damit ich als trendig in der Gesellschaft wahrgenommen werde oder frage ich mich, was ich für unsere Gesellschaft leisten kann? Das Lied des Hamburger Künstlers soll hierfür einen kleinen Denkanstoß geben.
Jungs, seid doch mal ehrlich zu euch. Macht mal Pause von der "persönlichen Entwicklung", stellt die Selbstbeweihräucherung aus und hört euch nochmal den Song an. Und dann vergleicht ihr es hier mit:


Sonntag, 3. Januar 2016

"The IMF was not participating in a conspiracy"

 (Foto von Daniel Lobo.)
Ich lese gerade Joseph Stiglitz' altes Buch "Globalization and its discontents". Stiglitz, der in den 90er Jahren Vizepräsident der Weltbank und ökonomischer Berater von Bill Clinton war, rechnet hier vor allem mit dem IMF und anderen Vertretern der "shock doctrine" ab, die damals die amerikanische wirtschaftspolitische Diskussion bestimmten. Sozialdemokraten wie er waren, wie heute ja auch, zur Rolle der "Kritiker" ohne echten Einfluss degradiert - sie saßen mit am Tisch, aber in den kritischen, entscheidenden Momenten konnten sie nur hilflos und empört zuschauen. Das Buch ist sehr zu empfehlen, vor allem wegen seiner sehr klaren und verständlichen Kritik der neoliberalen Krisenbewältigungspolitik. Damals traf es noch vornehmlich die dritte Welt und die wehrlosen ex-Sowjetrepubliken, heute ist schon die europäische Peripherie zum Status der Subalternen reduziert, die man zum Wohle der Finanzmärkte und Gläubigerinteressen einer eisernen, schmerzhaften Kur unterziehen darf. Die Einschläge kommen näher, das Thema des Buches ist also aktueller denn je.

Stiglitz spricht sehr deutlich aus, worüber vor allem in Deutschland immer noch viel zu viel gewollte Unklarheit herrscht: Wenn IMF damals, und Europäische Kommission heute, eine harte, deflationäre Sparpolitik verordnen, dienen sie unmittelbar den Interessen der Finanzmärkte, also dem Spekulationskapital, eine wirtschaftliche Erholung befördern sie damit nicht. Um Banken vor (selbst verantworteten) Verlusten zu bewahren und die Vermögen nach dem Platzen einer Investitionsblase zu schützen, müssen ganze Staaten in die Verantwortung genommen werden. Und damit sich gegen diese Ungerechtigkeit niemand wehrt, flankiert den Verweis auf die Alternativlosigkeit ein moralisches Theater, das die Schuld vor allem bei der Bevölkerung sucht, die wieder einmal angeblich zu schwach, zu dekadent und undiszipliniert gewesen sei, um die "Märkte" zufrieden zu stellen.

Selbst das Argument, dass man die Banken nach der Finanzkrise unbedingt habe schützen müssen, um ihre Stabilität nicht zu gefährden und einen totalen Zusammenbruch der Weltwirtschaft zu verhindern, ist ja eigentlich keines: Wie Stiglitz in seinem Buch zeigt, welches ja schon Jahre vor der letzten Finankrise erschien, wurde in der Vergangenheit auch in kleineren Krisen, die die Stabilität des Systems nicht gefährdeten, nicht anders gehandelt. Vor allem die Asienkrise, Ende der 90er Jahre, zeigt deutlich, dass schon immer nur einer gewinnen konnte, wenn es den Reichtum (des Westens) zu schützen galt. Die vom IMF verordnete Kur habe derart desaströse Auswirkungen gehabt, dass es für viele Asiaten so wirken musste, als seien ihre Wirtschaften bewusst von den Finanzmärkten und ihren Handlangern im amerikanischen Finanzministerium zerstört worden:
But in Asia other theories abound, including a conspiracy theory that I do not share which views the policies either as a deliberate attempt to weaken East Asia - the region of the world that ahd shown the greatest growth over the previous forty years - or at least to enhance the incomes of those on Wall Street and the other money centers. One can understand how this line of thinking developed: The IMF first told countries in Asia to open up their markets to hot short-term capital. The countries did it and money flooded in, but just as suddenly flowed out. The IMF then said interest rates hsould be raised and there should be a fiscal contraction, and a deep recession was induced.As asset prices plummeted, the IMF urged affected countries to sell their assets even at bargain basement prices. It said the companies needed solid foreign management (conveniently ignoring that these companies had a most enviable record of growth over the preceding decades, hard to reconcile with bad management) and that this would only happen if the companies were sold to foreigners - not just managed by them. The sales were handled by the same foreign financial institutions that had pulled out their capital, precipitating the crisis. These banks then got large comissions from their work selling the troubled companies or splitting them up, just as they had got large commissions when they had originally guided the money into the countries in the first place. As the events unfolded, cynicism grew even greater: some of these American and other financial companies didn't do much restructuring; they just held the assets until the economy recovered, making profits from buying at the fire sale prices and selling at more normal prices. 
I believe that there is a simpler set of explanations - the IMF was not participating in a conspiracy, but it was reflecting the interests and ideology of the Western financial community. Modes of operation which were secretive insulated the institution and its policies from the kind of intensive scrutiny that might have forced it to use models and adopt policies that were appropriate to the situation in East Asia.

Wie gesagt, es ist ein empfehlenswertes Buch und ich freue mich auch schon auf Stiglitz' bald erscheinendes Buch über die Eurokrise. Aber interessant ist es auch vor allem wegen der Aspekte, die in Stigliz' Analyse fehlen. Jemand hat mal gesagt, die Wirtschaftsberichterstattung des linksliberalen amerikanischen Radiosenders NPR sei wie eine Reportage über die Opfer eines Serienmörders, ohne dass jemals ein Serienmörder erwähnt wird. Ein wenig ähnlich ist es mit Stigliz, wenn er argumentiert, eine gerechtere, vernünftigere Wirtschaftspolitik allein könne schon einen gerechten und vernünftigen Kapitalismus schaffen, einen Kapitalismus, der allen nützt, alle bereichert, und irgendwie sogar noch die Umwelt schont.

Ich will jetzt nicht in Abrede stellen, dass so eine Reform des Kapitalismus grundsätzlich möglich ist. Wer weiß, vielleicht kann man tatsächlich irgendwie auch global solche Verhältnisse herstellen wie in Schweden in den 80ern, vielleicht sind die Hindernisse dagegen tatsächlich rein politisch, anstatt schon in der Funktionsweise des Kapitalismus angelegt. In dieser Frage habe ich zwar stetig wachsende Zweifel, aber zumindest als Interimslösung der aktuellen Krise ist der Kurs, den Stiglitz vertritt, sicher der vernünftigste.

Aber auch die politischen Hindernisse unterschätzt Stigliz radikal. Selbst so eine Renaissance des sozialdemokratischen Modells, wie er sie anstrebt, wird sich ohne eine politische Umwälzung nicht einstellen, da können die Linkskeynesianer noch so sehr die besseren Argumente auf ihrer Seite haben. Stiglitz unterstützt zwar politische Bewegungen in ganz Europa, aber man spürt dennoch sein tiefes Urvertrauen in die Fähigkeit der politischen Eliten, nach offener und sachlicher Diskussion Entscheidungen im Sinne des Gemeinwohls treffen zu können, quasi im Geiste eines progressiven Technokratentums. (Wie es einem ehemaligen Vize-Präsidenten der Weltbank gebührt.)

Manchmal ist das fast komisch, etwa als Stiglitz behauptet, Clinton habe deshalb seinem Finanzministerium in dessen katastrophalen Russlandpolitik freie Hand gelassen, weil man ihm wichtige Informationen vorenthielt: "I believe that if Clinton had been confronted with the arguments, he would have adopted a more balanced approach. He would have been more sensitive to the concerns of the poor, and more aware of the importance of political processes than the people at Treasury." Das hat was von: Wenn das nur der Führer wüsste!

Stiglitz sagt immer wieder, Ungleichheit und Ausbeutung seien Folgen falscher politischer Rahmenwerke, stellen also eine Pervertierung des Kapitalismus dar, die sich mit einer politischen Kurskorrektur beheben lasse. Selbst wenn er mit dieser Einschätzung richtig läge, das was heute zu dieser Kurskorrektur fehlt, was also wirklich nötig wäre, kann uns ein Stigliz allein leider nicht geben (und auch kein Piketty, und ein Varoufakis schon gar nicht...). Um das berühmte Stalinwort mal abzuwandeln: Wieviele Divisionen hat Joseph Stiglitz? Wieso ist er nur ein "Kritiker", der selbst als Berater Clintons keinen Einfluss hatte, während die Apologeten des Neoliberalismus selbst nach der Finanzkrise an den Schalthebeln der Macht sitzen? Und was wäre wirklich nötig, um demokratische Herrschaft über die Wirtschaftspolitik zurück zu gewinnen?

(Nebenbei: Um einen Eindruck davon zu gewinnen, welche Art von Person in den letzten Jahren geradezu unverrückbar die Kommandohöhen der Weltwirtschaft bevölkerte, kann ich nur diese etwas längere, aber geniale Rezension von Timothy Geithners neuem Buch empfehlen. Geithner war der erste Finanzminister in der Obamaregierung, also der wichtigste Architekt der Bankenrettungspolitik. Unbedingt den Artikel lesen.)