Communism

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Samstag, 25. Juli 2015

Selbst. Management.

Je mehr man die Arbeit als etwas positives, erfüllendes erlebt, desto mehr ist man ihr unterworfen. Indem wir Erfüllung und Freiheit durch und bei der Arbeit erwarten, verschleiern wir nur die internalisierten Zwänge, die mit ihr verbunden sind. Echte Freiheit ist Freiheit von Fremdbestimmung und kann also nur außerhalb der Lohnabhängigkeit existieren. All dies und noch viel mehr, was ich im gestrigen Post unbeholfen andeuten wollte, findet sich hier von einem Professor Rainer Zech sehr viel kenntnisreicher und überzeugender argumentiert. 

Die entscheidende Passage:
Dieses besteht vor allem darin – daran erinnert uns Luhmann –, dass die Wirtschaft nicht mehr dem Bedarf, sondern der Bedarf der Wirtschaft folgt. Produziert wird nicht, was gebraucht wird, sondern was sich – unter Zuhilfenahme moderner Marketing- und Werbungsmethoden – verkaufen lässt. Typisch für kapitalistisch dominierte Arbeit ist es, dass sie erstens auf Bedarf, der nicht zahlungsfähig ist, nicht reagiert, wie viel Hunger und Elend auch immer herrschen mögen, und dass sie zweitens dazu neigt, die gesellschaftliche Infrastruktur marodieren zu lassen, weil sich Kollektivgüter gegen die Form des Privateigentums sperren. In Kombination mit der Befreiung der Menschen – verstanden als Freiheit von jeglicher ökonomischer Sicherung – war der Arbeitszwang für die Masse strukturell abgesichert. Wer nichts hatte, dem wurde auch nichts gegeben – er oder sie musste, um das Überleben zu sichern, eben arbeiten.

Damit dies aber nicht als Strafe erlebt, sondern als Selbstverwirklichung imaginiert werden konnte, musste noch einiges geschehen. Der ökonomischen Hegemonie folgte die ideologische. Der Kapitalismus ist heute gesamtgesellschaftlich und global als einzig erfolgversprechende Form des Wirtschaftens unangefochten. Aus Arbeitern, die keine Alternative zur Ausbeutung durch das Kapital hatten, wurden Arbeitskraftunternehmer, die sich dem Arbeitsparadigma freiwillig unterwerfen und Selbstausbeutung betreiben. Und nachdem auch das Soziale erfolgreich ökonomisiert wurde und sich die gesellschaftlichen Akteure wechselseitig unter Nützlichkeitsgesichtspunkten beobachten, unterwandert der Neoliberalismus nun die Psychen.

Bestes Beispiel dafür ist die gegenwärtige Diskussion um die Arbeitswelt 4.0. Die diesbezügliche Fraunhofer-Studie geht völlig unkritisch davon aus, dass die Integration von Arbeit und Freizeit sich weiter verbreiten wird, und sieht dies nicht als Kolonialisierung privaten Lebens durch die Arbeit, sondern als Synergie eines »Corporate Life«, welches die Beschäftigten samt ihren Familien noch stärker an die Unternehmen bindet. Was hinter diesem als positiv bezeichneten Zukunftsszenario steht, bleibt zwar unausgesprochen, ist aber doch erkennbar: Um den Profit zu steigern, geht es um die Konditionierung der Beschäftigten zu loyalen, treu ergebenen und fügsamen Untergebenen, die ihrer zugewiesenen Aufgabe und den Zielen des Unternehmens dienen, ohne auf die Uhr zu schauen, die sogar ihre »Frei«-Zeit in den Dienst des Unternehmens stellen.
Auch das hier, über die Internalisierung von Herrschaft, ist sehr wichtig:
Moderne Managementmethoden wollen den »ganzen Menschen« mit allen seinen Emotionen, Motivationen, Leidenschaften und Begeisterungen dem Arbeitsprozess zunutze machen. Alle subjektiven Kräfte sollen zwecks Effizienzsteigerung auf die Unternehmensziele gelenkt werden; »freiwillige« Selbst-Beherrschung soll äußere Herrschaft ersetzen. Dass dies der Persönlichkeitsentwicklung der Beschäftigten dienlich sein soll, ist blanke Ideologie. Gouvernementalität nennt Foucault diese Lenkung von Personen, die schlicht darin besteht, Herrschaft zu internalisieren und damit unsichtbar zu machen.
Ich hatte lange ein falsches Bild dieser Art von Gouvernmentalität: ich stellte sie mir vor wie eine Art internalisiertes "falsches Bewusstsein", eine Selbst-Beherrschung, die nicht als solche erfahren wird, bzw. die sich authentisch wie Freiheit und Unabhängigkeit anfühlt. Das mag zum Teil auch sicher zutreffen, aber man darf nicht vergessen, dass dieser Zwang, sich selbst zu managen, auch tatsächlich als Zwang, als meinetwegen diffuser Druck, unmittelbar empfunden werden kann: Das Gefühl, einen Herren zu haben, ist immer noch da, nur sagt dieser dir nicht mehr direkt, was er von dir erwartet, sondern überlässt es dir, irgendwie seinen (unasugesprochenen) Ansprüchen gerecht zu werden - und dabei auch noch immer auf freundlich zu machen. 

Seit einem Jahr habe ich einen Nebenjob in einem callcenter in einer "strukturschwachen" Gegend in Ostdeutschland, der als Tochterunternehmen der Bahn nach den allerneusten Managementtechniken betrieben wird. Konkret bedeutet dass u.a., dass permanent die Mitarbeiter nach "input" und Verbesserungsvorschlägen für unsere "Prozesse" angegangen werden, gleichzeitig aber Menschen fast immer gefeuert werden, anstatt sie unbefristet einzustellen. Und selbst diejenigen, die einen dauerhaften Arbeitsvertrag haben, müssen sich in regelmäßigen Abständen auf ihren eigenen Job neu bewerben, um zu vermeiden, wieder herabgestuft zu werden. Das eröffnet zwar einigen ein paar Möglichkeiten - aber anstrengend muss das sein... vor allem, wenn man im Gegensatz zu mir auf den Job angewiesen ist.
 
Auch interessant: Totalüberwachung von Studenten, zu therapeutisch-prüfend-bewertenden Zwecken. Seeehr creepy: "We don’t need to use any of the data about you . . . to try and manipulate you,” he says. “We want to give you the data so you manipulate yourself”.

If you want a vision of the future, imagine a forced smile on a stressed-out human face - forever.

Donnerstag, 23. Juli 2015

Die Wahrheit

"to escapism, to rain on the roof and instant coffee, to unemployment insurance and library cards, to absinthe and good-hearted landlords, to music and warm bodies and contraceptives"

Ich glaube, das lasse ich mir auf den Rücken tätowieren. Am besten den ganzen Brief. 

Hunter S. Thompson konnte gut schreiben: witzig und präzise, unsentimental aber ausdrucksstark, immer im direkten, fast wie gesprochenen Dialog mit dem Leser, und trotzdem komplex und voller Argumentation. Ich glaube, ich habe noch nie von einem anderen Autor auch noch die Briefe gelesen, aber bei ihm lohnt es sich, denn da ist auf jeder Seite diese Stimme.

Nicht, dass ich wirklich und mit voller Hingabe so leben könnte, wie er es hier anpreist, dazu mangelt es mir wohl an psychischer Kraft. Wie jeder Spross des akademischen Bürgertums kann ich zwar in Gedanken andere Prioritäten setzen als die der "Wirtschaft", aber letztlich kommen wir alle aus einer langen Linien von Untertanen, und die Angst vor der Arbeitslosigkeit, die Scham darüber, nicht zu Diensten zu sein, sitzt uns zu tief in den Knochen. Es ist sogar noch schlimmer: wir lieben unsere Jobs! Die frühindustrielle Kultur schämte sich wenigstens noch ab und zu für ihren untertänigen Fleiß: mit dem Adel gab es eine Schicht, die stolz darauf war, nicht zu arbeiten, und mit der Kirche eine Institution, die dafür verehrt wurde, dass sie über der irdischen Mühsal stand - und niemandem wäre es eingefallen, dass es so etwas wie tiefempfundene, sinnstifftende "berufliche Erfüllung" überhaupt gibt. 

Man internalisiere dazu noch den ultramoderne Gedanken, dass wir unseren Wert erst einmal selbst unter Beweis stellen müssen, dass also berufliches Scheitern wirklich ein Scheitern der gesamten Persönlichkeit darstellt, und es lösen sich schnell alle kritischen Gedanken über künstliche Verknappung und die Irrationalität unseres Wirtschaftssystems in Luft auf. Vom 1-Euro-Jobber bis zum Bürosklavenworkaholic - die Kultur des Arbeitszwanges ist so mächtig wie je, selbst Künstler, selbst Professoren sind heute Angestellte, die permanent auf die nächste performance review hinarbeiten.

Nicht dass an Arbeit prinzipiell etwas auszusetzen ist. Aber ich glaube, dass es ein Ausdruck der Stagnation unserer Kultur ist, dass wir weder eine Kritik der entfremdeten Arbeit, noch eine Vision eines Lebens ohne Lohnarbeit überzeugend formulieren können. Im kapitalistischen Realismus gibt es auch zum Job keine Alternative - oder wenn, dann ist es nur ein weiterer Schwachsinn, den dir jemand andrehen will:
Catalyse has all the energy, fun and playfulness of Morning Gloryville, combined with a three part programme built around our 'rave your way into the day' experience
Our transformational and inspiring environment aligns both team engagement and values-led objectives, to deliver:
Improved Health + Well Being
Enhanced Happiness + Joy
Expanded Perspective + Mindfulness
(Neoliberale Poesie!)

Vielleicht ist es ironischerweise unsere illusionslose Nüchternheit, die uns ausgerechnet jetzt, wo der Überfluss fast grenzenlos ist, umso mehr dem Arbeitsethos unterwirft. Selbst wir Deutschen, selbst unsere puritanischen Brüder und Schwestern auf der anderen Seite des Atlantik, haben zwar mittlerweile gelernt, freie Zeit zu verbringen, zu ertragen und ab und zu sogar zu genießen. Und sicher würden die meisten auch sagen, dass es wichtigere Dinge in ihrem Leben gibt, als ihre Arbeit - und bei einigen würde das vielleicht sogar stimmen. Aber wir haben immer noch keine Vorstellung davon,  wie es möglich ist, dem Leben grundlegend eine eigene Richtung, einen Sinn und eine Form zu geben, ohne sich dazu vor allem auf die Lohnarbeit zu stützen. 

Wenn etwas verschwindet, ohne dass etwas anderes entsteht, ergibt das keine Befreiung, sondern Leere. Das ist der echte Sinn des düsteren Mantras, das auf den ersten Blick nur wie ein reiner Widerspruch zu Thompsons Lässigkeit verstanden werden könnte:
"The world is what it is; men who are nothing, who allow themselves to become nothing, have no place in it."
Man muss sehr gefestigt sein, um unter Arbeitslosigkeit nicht zu leiden, viele eigene Antriebe und auch unabhängig von der langweiligen bürgerlichen Konvention der regelmäßigen Erwerbsarbeit ein Gefühl des eigenen Wertes besitzen. Das gilt für den Einzelnen wie für das Ganze. Eine Kultur, die nur Arbeit kennt und der die Arbeit ausgeht, wird wahnsinnig. Oder depressiv, wie Thüringen*. Die Beschränkung der Arbeitszeit war einmal die grundlegende Forderung jeder progressiven Politik, bis hin zur utopischen Vorstellung, dass eines Tages die Lohnarbeit zur Nebensache werden würde. Warum ist das heute so vergessen? Weil uns allen eingeredet wird, dass wir froh sein können, überhaupt Arbeit zu finden? Sicher. Weil es uns erlaubt, auf die faulen Franzosen mit ihrer 30-Stunden-Woche herabzublicken, von gewissen anderen südeuropäischen Ländern ganz zu schweigen? Auch das ist leider wahr - wer selber mit seiner Situation unzufrieden ist, kann sich zumindest daran aufrichten, auf andere hinabzublicken. Aber hat es nicht auch mit dem Fehlen einer positiven Vision zu tun, wie eine Gesellschaft, ein Leben aussehen könnte, in dem nicht mehr der wirtschaftliche Überlebenskampf zentraler Motor ist? Vor allem dem Fehlen einer Vision, die nicht nur für pseudo-Bohemiens, Akademiker und Partyleute funktioniert, sondern auch für normale, langweilige Menschen?

Mir gefällt Corey Robins Konzept eines anti-utopischen Utopismus. Neoliberale Freiheit ist vor allem der Zwang, permanent und unter großem Druck das persönliche und berufliche Projekt zu verfolgen und an der Selbstoptimierung zu arbeiten - wir müssen uns jeden Tag zu tausenden Sachen zwingen, die wir eigentlich nicht tun möchten. Das heißt wohl Erwachsensein.
"In real (or at least our preferred) life, we do have other, better things to do.  We have books to read, children to raise, friends to meet, loved ones to care for, amusements to enjoy, drinks to drink, walks to take, webs to surf, couches to lie on, games to play, movies to see, protests to make, movements to build, marches to march, and more. Most days, we don’t have time to do any of that. We’re working way too many hours for too little pay, and in the remaining few hours (minutes) we have, after the kids are asleep, the dishes are washed, and the laundry is done, we have to haggle with insurance companies about doctor’s bills, deal with school officials needing forms signed, and more."
Im Gegensatz dazu ist echte Befreiung deshalb nicht mit einem euphorischen Glücksversprechen verbunden, sondern steht nur für die Möglichkeit, sein Leben nach selbstgewählten Kriterien auszurichten - oder, schlimmer noch: zum ersten mal wirklich mit der Frage konfrontiert zu werden, nach welchen Kriterien man sein Leben ausrichten möchte. Wie er es an anderer Stelle ausdrückt: "the point of socialism is to convert hysterical misery into ordinary unhappiness. God that would be so great." 

Um also die Befreiung von der Arbeit wieder auf die Tagesordnung zu setzen, müssen wir erst einmal das Selbstbewusstsein aufbringen, zu behaupten, dass - auch wenn wir nichts besonderes sind, sondern einfach nur langweilige, unglückliche Durschnittsmenschen - es unendlich viele Dinge auf der Welt gibt, die wichtiger und notwendiger sind als jede Arbeit, und jeder angehäufte Reichtum sowieso.

Wer das als adoleszentes Rumgejammere über die böse, harte Welt abtun will, die es einem nicht erlaubt, jeden Tag auszuschlafen, der soll sich vor Augen halten, dass er vor hundert Jahren sicher mit der gleichen verbissenen Selbstgerechtigkeit über die Idee gelacht hätte, dass auch die unteren Schichten ein Recht auf Freizeit oder - man stelle sich das vor - persönliche Erfüllung haben. Alles ist relativ, klar, aber nichts ist verlogener als die falsche Knappheitsrethorik, die immer nur von einigen Opfer und Disziplin verlangt, den Luxus der anderen aber als ihr gott-gegebenes Recht akzeptiert.

Eine der offenbar am tiefsten empfunden Stellen in Deutschland schafft sich ab handelt davon, dass gerade Menschen aus der Unterschicht Schwierigkeiten damit haben, ihr Leben selbst zu gestalten und deshalb für ihr Glück auf die disziplinierende Wirkung regelmäßiger harter Arbeit besonders angewiesen sind. Das ist das größte Gift: die Vorstellung, dass unsereins - gebildet, reich, kultiviert und hip - natürlich die "Kompetenz" besitzt, auch ohne äußeren Zwang ein erfülltes, interessantes, sogar "produktives" Leben zu führen, die "anderen" aber nur vor dem Fernseher sitzend verkommen würden, triebe man sie nicht permanent zur Arbeit an.

Dekadenz ist gut, aber bitte nicht nur als individueller lifestyle. Dekadenz ist unser aller Schicksal und Aufgabe, unsere kollektive Zukunft. Es wird Zeit, dass wir beginnen, uns mit dem nötigen Ernst auf sie vorzubereiten.



*Wobei ich noch nie in Thüringen gewesen bin und auch kaum Thüringer kenne - aber ihr wisst schon, was ich meine!

Mittwoch, 15. Juli 2015

Die drei Bücher...

...die ich gerade aus der Bibliothek geholt habe, sind wie ein ironischer Kommentar zur Weltlage:
  • Joan Robinson - Ökonomische Theorie als Ideologie ("Über einige altmodische Fragen der Wirtschaftstheorie")
  • E. M. Cioran - Vom Nachteil, geboren zu sein. 
  • James Knowlson - Damned to Fame (die autorisierte Beckett-Biografie)
Leftkeynesianism, despair, you must go on, I can't go on, I'll go on.

Yves Smith, deren pessimistische Lesart sich seit Monaten immer wieder auf schmerzhafte Weise bewahrheitet, besteht darauf, dass die 'Einigung' vom Wochenende erst der Beginn eines komplexen, mühsamen Prozesses ist, bei dem von Anfang bis Ende die Gewalt vollständig in den Händen der Troika liegen wird. Und es kann noch sehr viel schief gehen:
When we look at the Greek situation there are far too many things that have to occur for the deal to go through, and the odds for favorable outcomes for just about each one looks to be markedly below 90%. I’m not about to play bookie, but it’s looking uncomfortably likely that the tentative Greece pact will come unglued. And one big factor favoring that outcome: the critical actor, Germany (and specifically, Finance Minister Wolfgang Schauble, whose support as we have stressed is a necessary but not sufficient condition for having a deal be consummated) isn’t highly motivated to salvage the preliminary agreement if it goes off the rails. Schauble has long thought a Grexit was the best solution for Greece; Timothy Geithner’s memoir says Schauble was advocating it in 2012.
[...]
As terrible as this punitive “rescue” seems, the reason that Tsipras and a large number of MPs are pushing it ahead is that the human cost of a Grexit is even worse. If this deal is like having your arm cut off, a Grexit would be tantamount to having both legs amputated.
 Es stehen noch einige lange Nächte bevor.

Mittwoch, 8. Juli 2015

"Chickenhawk" von Robert Mason


Ein Helikopterpilot erzählt von seinem Dienst in Vietnam, in einer so knappen, direkten und effektiven Sprache, wie es das im Deutschen nur selten gibt. 

Hier zum Beispiel der vollständige Prolog: 
I joined the army in 1964 to be a helicopter pilot. I knew at the time that I could theoretically be sent to a war, but I was ignorant enough to trust it would be a national emergency if I did go.
      I knew nothing of Vietnam or its history. I did not know that the French had taken Vietnam, after twenty years of trying, in 1887. I did not know that our country had once supported Ho Chi Minh against the Japanese during the Second World War. I did not know that after the war the country that thought it was finally free of colonialism was handed back to the French by occupying British forces with the consent of the Americans. I did not know that Ho Chi Minh then began fighting to drive the French out again, an effort that lasted from 1946 until the fall of the French at Dien Bien Phu, in 1954. I did not know that free elections scheduled by the Geneva Conference for 1956 were blocked because it was known that Ho Chi Minh would win. I did not know that our government backed an oppressive and corrupt leader, Ngo Dinh Diem, and later participated in his overthrow and his death, in 1963.
      I did not know any of these facts. But the people who decided to have the war did.
     I did know that I wanted to fly. And there was nothing I wanted to fly more than helicopters
Kurv vor Ende seiner einjährigen Dienstzeit fängt Mason dann an, den Verstand zu verlieren. Ihn überkommen plötzliche Angstzustände, ihn quält permanente Unruhe und schlafen kann er nur noch mit Beruhigungsmitteln. Gerade die ruhigen Momente werden unerträglich und oft wünscht er sich sofort wieder zurück ins Gefecht. Heute würde man es PTSD nennen. Die Stelle, an der er seine erste, grundlose Panikattacke beschreibt, hat mich sehr beeindruckt. Für den Leser kommt sie genauso überaschend wie für ihn:
While I read, something went wrong with my brain. Something had to be wrong, because instead of lying back with the book on my lap, the book was on the dirt floor and I was reaching for my .45 and saying, "What?"
"What?" I roamed the tent, looking in corners. I looked outside.
"What?" Something was very wrong. I was tense. I was ready. I waited.
A dark head pushed through the flaps. That? As I drew my pistol, I saw it was Staglioni. "Chow," he said, and ducked back outside. He had not seen my gun.
Es ist so unheimlich, wie er im zweiten Satz erst nicht mehr in der ersten Person spricht. Und diese wiederholte, enervierende Frage, "Was?", als sei da jemand mit ihm im Zelt. Das ist so ein perfektes kleines Detail, das man sich wohl kaum ausdenken könnte, welches aber direkt ausdrückt, wie verstört er ist. Ebenso, dass der andere Soldat seine Pistole nicht bemerkt, was die Situation noch klaustrophobischer macht. 

Mir gefällt Robert Masons Buch besser als der andere Klassiker der Vietnam-Autobiografie, "Dispatches" von Michael Herr. Bei Herr - der kein Soldat, sondern Korrespondent für Esquire war - merkt man immer, dass er unmöglich über so ein gutes Thema wie den Vietnamkrieg schreiben könnte, ohne voll und Ganz und für immer unter Beweis zu stellen, was für ein guter, interessanter Schriftsteller er ist. Das ist wie viele dieser etwas wahnsinnigen, aufgedrehten Sixties-Bücher zwar oft seeeehr gut, altert aber auch schlecht. Außerdem hat Mason den Vorteil, dass er, weil er künstlerisch oder intellektuell nichts beweisen will, einfach wahrheitsgemäß seine Sicht des Krieges schilert. Sein Buch besteht also zu 50% aus Beschreibungen komplizierter Flugmanöver, unter Beschuss im vietnamesischen Dschungel, welche laufend Anlass bieten, seine überragenden Fähigkeiten als Pilot anzudeuten, auf die er sehr stolz ist. Auch das Essen (reconstitued scrambled eggs - aus der Dose!) oder die vietnamesischen oder chinesischen Frauen nehmen großen Platz ein. Das Grauen besteht darin, dass der Krieg und das Töten einfach jeden Tag, jede Minute weiter gehen - und mit den amerikanischen Soldaten persönlich eigentlich rein gar nichts zu tun haben.

So ehrlich er auch ist, eine große Aussparung gibt es in Masons Buch: Er verschweigt die Drogen. Vielleicht hatte das aber auch schlicht persönliche Gründe. Nachdem er wegen seiner psychischen Probleme erst aus der Army ausscheiden musste, dann nicht mehr als Pilot arbeiten konnte und schließlich die 70er damit verbrachte unglücklich und trinkend von Job zu Job zu wechseln, entschloss sich Robert Mason Anfang der 80er endlich dazu, das Buch über Vietnam zu schreiben. Seine Frau und er hielten sich als Zeitungsträger über dem Wasser und man kann es ihm kaum vorhalten, dass er auch auf illegale Weise versuchte, an Geld zu kommen. Das beschreibt er auch selbst im Epilog des Buches ... von wikipedia:
In 1981, Mason was arrested for smuggling marijuana on a boat from Colombia.[3] A month later his agent sold Chickenhawk to Viking Penguin based on the one third of the book Mason had delivered. Mason didn't tell anyone of his arrest, including his agent and his editor, until they finished the rest of the book and read the last page.[4]