In der Zeit gibt es einen Artikel, der uns vom "neuen literarischen Modetrend aus den USA[!!!!]" erzählt: "New Sincerity" nämlich. Ich finde es etwas traurig, wie in Deutschland ständig irgendwelche New Yorker-Hipster-Phänomene, die schon dort nur einen kleinen, szenigen Kreis interessieren, im Feuilleton ausgebreitet werden. Besonders leid taten mir vor einigen Jahren all diese Leute, die so tun mussten, als hätten sie "Unendlichen Spaß" mit Genuss gelesen. Auch wenn ich David Foster Wallace mag - das habe ich ihnen einfach nicht abgenommen.
Ist es wirklich so langweilig hier, dass wir "jeden Dreck, der vom Westen kommt" für unsere Kulturartikelei ausschlachten müssen? Zugegeben, ab und zu trifft es ein würdiges Produkt der New Yorker Szene, wie etwa das kleine, aufstrebende sozialistische Magazin Jacobin (made in Brooklyn), über das schon eine ganze Reihe von Reportagen in Deutschland erschienen sind. Aber meist sind es eben solche langweiligen, sich selbst gut vermarktenden Produkte der dortigen Kulturschaffendenszenerie.
Ich glaube auch, dass deutsche Feuilletonisten (kuhäugig die Weltstadt bewundernd) oft unterschätzen, wie professionell selbst eine 23-jährige amerikanische Dichterin in der Selbstinszenierung und Trendverkörperung vorgehen kann. "New Sincerity" ist zumindest ein reiner Merketingbegriff, in die Welt gesetzt von der langweiligsten, humorlosesten und karrierebewusstesten Autorenclique die man sich nur vorstellen kann. Und nicht Ausdruck eines "enttäuschten, romantischen Bewusstseins in einer hoffnungslos entromantisierten Welt".
Im jungen deutschen Feuilleton, immer nach dem neusten hippen Trend schielend, finden diese literarischen Selbstvermarkter dann die nötigen leichtgläubigen Opfer: "Ob dieser roboterhafte Bekenntniston, in dem Sexualität und
Seelenhaushalt geschildert werden, nun gut ist oder schlecht, ist
zunächst gar nicht die Frage. Man muss erst einmal sagen: Er klingt neu." Na dann...man soll es wohl lesen als bitteren Dienst an der Trendigkeit, wie sehr es einen auch zu Tode langweilen mag...
Wer einen wirklich guten Roman aus New York lesen will, dem kann ich unbedingt "The Princess of 72nd Street" empfehlen. Auch dieses Buch passt, obwohl es zuerst 1979 erschien, perfekt in unseren Zeitgeist, erzählt es doch aus der unmittelbaren, ultra-subjektiven Perspektive einer manisch-depressiven, von den Männern gequälten, zwischen Unsicherheit und wahnhafter Selbstüberschätzung schwankenden jungen Künstlerin. Aber im Gegensatz zur flachen, humorlosen, desinteressierten und betäubten Schreibweise der Neuen Ernsten macht Elaine Kraf aus diesem Ansatz eine beeindruckende, derilierende und gleichzeitig schonungslos realistische literarische Seelenschau. Mit ihrem psychotischen, oft wild assoziierenden, surrealen Stil vollbringt sie in echt, was Beatautoren wie Ginsberg immer nur spielen konnten. Gleichzeitig ist das Buch unterlegt von einem harten, oft verstörenden Sinn für die Wirklichkeit. Und verdammt witzig ist es auch noch. Originell und geistreich eben, das trifft es.
Als das Buch zuerst erschien, hat niemand es beachtet. Erst vor kurzem gab es eine Neuausgabe, die ihm wenigstens ein paar Leser bescherte. Es wäre ein Buch, das es wirklich verdient hätte, auch auf Deutsch zu erscheinen. Ich vermute, dass Elaine Kraf, ähnlich wie die ebenfalls lange vergessene, große Jean Rhys, nie die Anerkennung gekriegt hat, die sie verdient hätte. Es trifft immer die Falschen.
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