Communism

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Freitag, 1. Juli 2016

Ein paar Bücher


Ich habe es irgendwie geschafft mitten im Juli krank zu werden und daher endlich mal wieder Zeit, in Ruhe sinnlos Bücher zu lesen - was gibt es besseres? Diese fünf liegen neben meinem Bett. Zu 80% (ja, auch das über Nancy Reagan) handelt es sich durchweg um unterhaltsame, faszinierende Texte, die den Horizont erweitern. Das andere ist rechte Grütze. 

Na ja, wirklich schlecht finde ich das Buch von Lichtmesz, dem Wiener Guru der "Identitären Bewegung", nicht. Es war sogar durchaus interessant - auch wenn es natürlich streckenweise völlig wahnsinnig ist, dann wieder abstoßend, und dann wieder so langweilig und abschweifend, dass man einfach weiter blättern MUSS. Vor einigen Jahren, als ich gerade erst Egon Friedell (Lichtmesz ist auch Fan), Kierkegaard, Adorno, Kafka, Tolstoi und als Dreingabe William Gaddis gelesen hatte - und als ich noch gelegentlich gekifft habe, fällt mir ein - hätte ich dem Buch vielleicht sogar noch richtig etwas abgewinnen können. Aber seitdem ist auch in der Welt einiges passiert, die Geschichte ist über uns hereingebrochen, und es ist nötig, diese Dinge etwas nüchterner und ernster in den Blick zu nehmen. 

Ich will kurz zwei Thesen aufstellen:

Erstens: Die Neue Rechte, besonders ihre "intellektuelle" Fraktion, besteht zu großen Teilen aus narzisstischen, selbstherrlichen jungen Männern mit Messiaskomplex, die ihre eigene aus Selbstbezogenheit und tiefer Unehrlichkeit (sich selbst gegenüber!) geborene Sinnkrise mittels reaktionärer Politik kurieren möchten. Klingt übertrieben? So formuliert es Lichtmesz:
Beinahe zum religiösen Erweckungserlebnis geworden ist hingegen der Übertritt zur verfemten politischen "Rechten". Dieser Schritt wird von Menschen mit entsprechenden Erfahrungen nicht selten mit dem Schlucken der roten Pille aus dem Science-Fiction-Kultfilm Matrix (1999) verglichen, die dem von intelligenten Maschinen versklavten Protagonisten schlagartig die schreckliche Wahrheit hinter dem einschläfernden, illusorischen "Man" (dit is Heidegger, Anmerkung d. Bloggers) seines bisherigen Alltagslebens offenbart. Daraufhin wird er geradezu gezwungen, zum (in gnostischer Manier an sich selbst und seine gottgleichen Superkräfte) Glaubenden und Hoffenden zu werden, um der allgegenwärtigen, schier unbesiegbaren Macht zu widerstehen, die die Trugwelt errichtet hat, die ihn bisher umklammert hielt. Auch der Protagonist des verwandten Films Fight Club (1999) hat sich im "Man", in Konsümgütern und... 
... und so weiter.

Zweite These: Ihre Verehrung für die "europäische Kultur", für Heimat, Tradition und für die Schönheit einer von der Moderne bedrohten Welt, besitzt als Kehrseite eine tiefe Menschenverachtung, eine Geringschätzung des wirklichen Lebens (so es denn modern gelebt wird), sowie einen ästhetisierten Todeskult. Das äußert sich etwa in ihrem Faible für blutige Märtyrergestalten (Mishima, George Venner, Stauffenberg), aber auch in dem tiefen Hass auf die völkerzersetzenden Eliten, Linken, Multikultis, etc., die, da sie sich am Heiligsten vergehen - der traditionellen kulturellen Identität des weißen Europas - im wahrsten Sinne des Wortes als Volksverräter zu gelten haben. 

Lichtmesz schreibt: 
Geschichten wie diese (er zitierte irgendetwas aus Egon Friedells Kulturgeschichte der Neuzeit, wie gesagt, sehr zu empfehlen das Buch!) erinnern uns daran, daß Dinge wie der Wahnsinn, die Infamie, die Ungerechtigkeit, die Gier und Dummheit der Machthaber, denen wir heute gegenüberstehen, in der Weltgeschichte durchaus üblich sind; daß sie zahllose Gesichter haben und sogar in Gottes Namen auftreten können, und daß wir es heute noch lange nicht mit ihren schlimmstmöglichen Ausprägungen zu tun haben, auch wenn sich ihre Folgen auf lange Frist verheerender auswirken mögen als der Dreißigjährige Krieg oder beide Weltkriege des letzten Jahrhunderts. 
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Was sind denn diese "Folgen", die Lichtmesz meint? Er meint (so interpretiere ich ihn, er belässt es natürlich bei der düsteren Andeutung) die Auflösung der traditionellen Grundlagen europäischer Kultur in einer modernen, globalistischen Zivilisation sowie, zweitens, die langfristige Vermischung und sogar zahlenmäßige Verdrängung der weißen Völker Europas seitens arabischer und afrikanischer Einwanderer. Selbst wenn man das für realistisch hält, und Lichtmesz' völkische Prämissen akzeptiert, die in Einwanderung eine "Invasion" fremder Völker sieht, fragt man sich doch etwas ratlos: BEIDE Weltkriege zusammen? So schlimm soll das sein?

(Das wirklich witzige hieran, wenn man darüber lachen mag: Dass die Rechten den Humanisten immer vorwerfen, diese seien die ideologisch verblendeten...)

Was Lichtmesz in seinem adoleszenten 'Pathos der Distanz' natürlich meint, ist die Gefahr, welche diese Ereignisse für das Überleben der europäischen Kultur darstellen - aus den Massakern und Leichenbergen der letzten Jahrhunderte ist diese nämlich immer noch wieder auferstanden, aber wehe, wenn in Wien einmal 50% Moslems wohnen, dann ist es so, als hätte Mozart umsonst gelebt. Finis Europa. 

Aus diesem überspannten, selbsthypnotischen Verhältnis zur Heiligkeit des europäischen Erbes schöpfen die Neuen Rechten ihre bizarre Apokalyptik: Während alle weiter ihr Leben leben, die deutschen Klassiker lesen, sich an alter Kunst erfreuen, und gemeinsam mit Muslimen Abitur machen, ohne dass die Welt untergeht, begreifen sie sich als letzte Generation, die noch die Rettung vor dem Untergang bringen könnte. Und das hat eben auch damit zu tun, dass sie letztlich nicht glauben, dass jeder sich Kultur aneignen kann, dass man immer aufs neue eine auch individuelle, aber trotzdem lebendige Beziehung zu (auch fremden!) kulturellen und künstlerischen Beständen entwickeln kann, ohne dass gleich die Fundamente der Gesellschaft ins Wanken geraten. In ihren Augen wurzelt eine "Kultur" in einem sich seiner selbst bewussten und auch politisch selbstbewussten Volk - geht es mit diesem Volk bergab (etwa weil es sein Rassebewusstsein verliert, oder der "Schuldkult" ihm das Mark aus dem Rückgrat zieht) dann stirbt auch seine Kultur. Tja, tragisch. 

Damit sind diese "Verteidiger des Abendlandes" fern einer positiven Bewunderung für unser kulturelles Erbe, aber dafür näher bei Anders Breivik, der, man muss es einfach sagen, in Grundzügen die Weltanschauung der "Identitären Bewegung" vertrat, und eigentlich auch in ihre Märtyrer- und Heroenreihe aufgenommen werden müsste.

Na ja, in gewisser Weise ist es auch andersherum: Gerade in ihrer versponnen Menschenverachtung und ihrem idealistisch verbrämten Fremdenhass sind die Identitären authentische Erben der europäischen Tradition - nur eben eines Teils von ihr, den man heute allgemein gerne überwinden würde. 

Wie sagte einst Slavoj Zizek: "There is no ethnic cleansing without poetry." Und sollten eines Tages die "Remigration" stattfinden, von der die Identitären träumen, und bei Nacht die Menschen abgeholt werden, um sie in den Flieger nach Afghanistan oder Syrien zu setzen, kann man sich sicher sein, dass daneben jemand steht und verträumt Rilke rezitiert. 

Nebenbei, gerade gesehen: Auch der Mann, der vor einigen Monaten Henriette Reker ermorden wollte, beschrieb sich vor Gericht als "konservativer Rebell". Kann man so sagen.

Weiter die Süddeutsche:
Mit seiner Tat habe er auf die angebliche Überfremdung Deutschlands aufmerksam machen wollen. Als Sozialreferentin der Stadt Köln war Reker für die Flüchtlingspolitik zuständig.
(Musik hat nichts mit nichts zu tun, ist nur gut:)

Dienstag, 10. Mai 2016

Miese Zeiten



Ich überlege mir fast, mir endlich ein FAZ-Abo zuzulegen. Aus Solidarität. Oder Mitleid.

Samstag, 7. Mai 2016

Triumphzug des Amerikanismus


Das war 1997. Seitdem ist viel passiert. Aber Pizza Hut bleibt.

Leider existiert kein ähnlicher Werbespot aus dem Irak, obwohl auch da vor zwei Jahren eine Filliale eröffnet wurde, in Kurdistan.  "We’re pleased to be able to bring Pizza Hut to Iraq as part of the explosive growth for our brand around the world,” said Scott Bergren, CEO, Pizza Hut and Chief Innovation Officer, Yum! Brands." Pizza Hut in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf...
[Edit: Mir ist erst jetzt aufgefallen, wie witzig die Bezeichnung "explosive growth around the world" in Zusammenhang mit einer Expansion in den Irak eigentlich ist...]
Yum! Brands, Inc., based in Louisville, Kentucky, has over 40,000 restaurants in more than 125 countries and territories. Yum! is ranked #201 on the Fortune 500 List with revenues of over $13 billion and in 2013 was named among the top 100 Corporate Citizens by Corporate Responsibility Magazine. The Company's restaurant brands - KFC, Pizza Hut and Taco Bell - are the global leaders of the chicken, pizza and Mexican-style food categories. Outside the United States, the Yum! Brands system opened over five new restaurants per day, making it a leader in international retail development.
Sehr faszinierend ist auch diese "Brief History of McDonald's in Serbia" (mit einem angemessen gemeinen Lachen über Thomas Friedman am Ende):
The fast food franchise eventually spread beyond Belgrade and throughout Eastern Europe, and soon, having a McDonald’s became a source of national pride. Some of the earliest manifestations of the mounting tensions between Croatia and Serbia before the breakup of Yugoslavia were in the songs Serbs sang about their McDonald’s at football matches. One late-1980s chant went “we have a McDonald’s, McDonald’s, McDonald’s, we have a McDonald’s, and where is yours?” Another (which rhymed in the language formerly known as Serbo-Croatian) referenced the hometown of Croatian football club Hajduk Split: “Hamburger, cheeseburger, ketchup and fries, we have a McDonald’s and Split doesn’t!” Of course, there were other more inappropriate variations.
Aber dann:
The arrival of the first McDonald’s in Belgrade may have been met with an initial wave of euphoria, but a decade later, an angry mob made their anger with US foreign policy known by torching the fast food restaurant. During the first few days of the 1999 NATO bombing of Yugoslavia, McDonald’s was badly damaged by arsonists. The branch’s owners responded by producing posters and lapel buttons of the golden arches topped with a traditional Serbian cap called the sajkaca. They also converted the lower-level seating area into a bomb shelter.
Less than a decade later, when Kosovo declared independence from Serbia in 2008, angry mobs again set fire to the historic McDonald’s on Slavija square. Hooligans also attacked the restaurant during the 2010 Belgrade Pride Parade.
Tja. Als ich im September in Belgrad war, fand auch gerade wieder die Pride Parade statt - geschützt von einem schweren Polizeiaufgebot.

Sonntag, 24. April 2016

"Wichtig ist vor allem, der Flut Einhalt zu gebieten"


Kommentarspalten sagen die Wahrheit, denn aus ihnen spricht - unbeholfen und aggro - das politische Id. Hier entwirft etwa Der_Jürgen das Programm einer rechten Konterrevolution:
Kein auch nur halbwegs vernünftiger Mensch, und folglich kein Sezessionist, will „alle in den letzten Jahrzehnten nach Deutschland gelangten Fremden“ abschieben. Der Grossteil der Europäer sowie eine Minderheit der Nichteuropäer (wie gross diese Minderheit sein wird, kann man ohne genaue Kenntnis der Statistiken nicht sagen) wird bleiben können. 
Wichtig ist vor allem, der Flut Einhalt zu gebieten, so lange es noch ohne grosses Blutvergiessen geht, und dann stufenweise mit der Repatriierung zu beginnen, wobei natürlich die am wenigsten wünschenswerten Ausländerkategorien, vorab die Kriminellen, die islamischen Extremisten und die Sozialschmarotzer, zuerst in ihre Heimatländer zurückgeführt werden müssen.
Wir ich früher in anderem Zusammenhang erwähnte, wird solch eine drastische, aber notwendige Politik nicht in einer „Demokratie“ möglich sein, in der die linksgrüne Asylmafia, unterstützt von „fortschrittlichen“ Pfarrern, für jeden abzuschiebenden fremden Dieb oder Drogendealer riesige Demos veranstaltet und ihm womöglich noch „Kirchenasyl“ gewährt. Dies geht nur in einem autoritären Staat, in dem die Volks- und Staatsfeinde (ja, das Vokabular verstört, aber reden wir nicht um den heissen Brei herum) für eine gewisse Zeit aus dem Verkehr gezogen werden.
Dies bedeutet weder Tötung noch Folter, sondern einfach ihre zeitweilige Internierung. Wenn sie Deutschland freiwillig verlassen, dann umso besser. Volker Beck und Claudia Grün können dann ja von Amerika aus gegen die bösen Faschisten wettern, die in Deutschland Schluss mit der multikulturellen Herrlichkeit gemacht haben. Immer vorausgesetzt, in Amerika hat sich der Wind bis dann nicht auch gedreht.
Das ist das perfekte Epigraph meines erzlangen Artikels über die Neue Rechte, der jetzt bei le-bohémien erschienen ist: "Identität und Herrschaft". Erster Teil und Zweiter Teil

Der über Jürgens Kommentar stehende Artikel ist recht interessant und ich stimme ihm sogar im Wesentlichen zu. Die "homestory" über Schnellroda in der FAZ war offensichtlich mit der Absicht geschrieben, den sich liberal nennenden AfD-Mitgliedern die Pistole auf die Brust zu setzen, allen voran Jörg Meuthen, der am Ende des Artikels direkt angesprochen wird. (Mein Lieblingsdetail aus dem Bericht aber: Dass Kubitschek André Poggenburg "Pogge" nennt.)

Dazu passend: Heute in der FAS ein langer Text über die Identitären unter der Überschrift "Rassisten im neuen Gewand." Wer gute Augen hat, kann ihn hier lesen. 

Gegen die Bezeichnung "Rassisten" werden sich die Identitären lautstark wehren. Die Wahrheit ist, dass auch beim "alten" Rassismus die biologische, verwissenschaftlichte, oder imperialistisch-hierarchisierende Argumentation fast nur Beiwerk zum Politischen und zu sozialen Dynamiken gewesen ist. Das Gefährliche am Nationalismus, der sich auf eine Volksidentität beruft, besteht nicht darin, dass jemand am Schreibtisch ausgetüftelt hätte, das eigene Volk sei anderen überlegen, sondern bereits darin, dass die Interessen des eigenen Volkes absolute, schrankenlose Priorität genießen - nach außen selbstverständlich, aber besonders nach innen, gegenüber Einzelnen und besonders Minderheiten. Darin ist alles schon angelegt. Mit abstrakten Vorstellungen einer irgendwie quantifizierbaren Überlegenheit hat das nicht zwingend etwas zu tun. Wie man weiß, war sogar Hitler in dieser Frage letztlich agnostisch... Hier ist das identitäre BlaBla zu dem Thema zu lesen: 0% Rassistisch, 100% Identitär.

Ein Gedanke, den ich heute hatte: Was würde wohl V.S. Naipaul zur Flüchtlingskrise schreiben? Es wäre wohl unerträglich, und ich würde es wohl nicht hören wollen. Aber gelesen hätte ich es trotzdem gerne.

Samstag, 23. April 2016

The blood stained monument of tutelage

In einem ansonsten recht abstrakten Text wartet Zbigniew Brzezinski mit erstaunlich klaren Worten über den Triumphzug des Westens auf. Wir denken das sei Geschichte. Aber ich glaube Brzezinski hat Recht: Die Ära der post-kolonialen Politik ist längst nicht vorüber.
[...] special attention should be focused on the non-Western world’s newly politically aroused masses. Long-repressed political memories are fueling in large part the sudden and very explosive awakening energized by Islamic extremists in the Middle East, but what is happening in the Middle East today may be just the beginning of a wider phenomenon to come out of Africa, Asia, and even among the pre-colonial peoples of the Western Hemisphere in the years ahead.
Periodic massacres of their not-so-distant ancestors by colonists and associated wealth-seekers largely from western Europe (countries that today are, still tentatively at least, most open to multiethnic cohabitation) resulted within the past two or so centuries in the slaughter of colonized peoples on a scale comparable to Nazi World War II crimes: literally involving hundreds of thousands and even millions of victims. Political self-assertion enhanced by delayed outrage and grief is a powerful force that is now surfacing, thirsting for revenge, not just in the Muslim Middle East but also very likely beyond.
Much of the data cannot be precisely established, but taken collectively, they are shocking. Let just a few examples suffice. In the 16th century, due largely to disease brought by Spanish explorers, the population of the native Aztec Empire in present-day Mexico declined from 25 million to approximately one million. Similarly, in North America, an estimated 90 percent of the native population died within the first five years of contact with European settlers, due primarily to diseases. In the 19th century, various wars and forced resettlements killed an additional 100,000. In India from 1857-1867, the British are suspected of killing up to one million civilians in reprisals stemming from the Indian Rebellion of 1857. The British East India Company’s use of Indian agriculture to grow opium then essentially forced on China resulted in the premature deaths of millions, not including the directly inflicted Chinese casualties of the First and Second Opium Wars. In the Congo, which was the personal holding of Belgian King Leopold II, 10-15 million people were killed between 1890 and 1910. In Vietnam, recent estimates suggest that between one and three million civilians were killed from 1955 to 1975.
As to the Muslim world, in Russia’s Caucasus, from 1864 and 1867, 90 percent of the local Circassian population was forcibly relocated and between 300,000 and 1.5 million either starved to death or were killed. Between 1916 and 1918, tens of thousands of Muslims were killed when 300,000 Turkic Muslims were forced by Russian authorities through the mountains of Central Asia and into China. In Indonesia, between 1835 and 1840, the Dutch occupiers killed an estimated 300,000 civilians. In Algeria, following a 15-year civil war from 1830-1845, French brutality, famine, and disease killed 1.5 million Algerians, nearly half the population. In neighboring Libya, the Italians forced Cyrenaicans into concentration camps, where an estimated 80,000 to 500,000 died between 1927 and 1934.
More recently, in Afghanistan between 1979 and 1989 the Soviet Union is estimated to have killed around one million civilians; two decades later, the United States has killed 26,000 civilians during its 15-year war in Afghanistan. In Iraq, 165,000 civilians have been killed by the United States and its allies in the past 13 years. (The disparity between the reported number of deaths inflicted by European colonizers compared with the United States and its allies in Iraq and Afghanistan may be due in part to the technological advances that have led to the ability to use force more precisely, and in part as well to a shift in the world’s normative climate.) 
Just as shocking as the scale of these atrocities is how quickly the West forgot about them.In today’s postcolonial world, a new historical narrative is emerging. A profound resentment against the West and its colonial legacy in Muslim countries and beyond is being used to justify their sense of deprivation and denial of self-dignity. A stark example of the experience and attitudes of colonial peoples is well summarized by the Senegalese poet David Diop in “Vultures”:
In those days,
When civilization kicked us in the face
The vultures built in the shadow of their talons
The blood stained monument of tutelage…
 Das vollständige Gedicht kann man hier lesen. 

Nazi sein oder Nazi nicht sein?

Ausgehend von der Diskussion um die Entlarvung Heideggers als Antisemit, und, wie es heißt, Nazi, in seinen schwarzen Heften, diskutiert Peter Leo, was es eigentlich bedeutetete, "Nazi" gewesen zu sein. Auch interessant für die Geschichte der Neuen Rechten und der Konservativen Revolution: "Über Nationalsozialismus sprechen. Ein Verkomplizierungsversuch."
Dass Hitler seine Herrschaft als Realisierung seiner oder der „nationalsozialistischen“ Weltanschauung verstand, muss man ernst nehmen. Aber nicht, oder zumindest nicht nur, im Sinne einer zutreffenden Beschreibung der politischen Wirklichkeit, sondern im Sinne der Effekte, die diese tagtäglich über alle Medien propagierte Behauptung erzeugte. Von Konformitätsdruck zu sprechen heißt ja nicht, dass alle Volksgenossen gleich werden mussten, sondern dass man das eigene Wollen, Denken und Tun, insbesondere das öffentliche, in ein affirmatives Verhältnis zur „NS-Weltanschauung“ setzen musste. Mit anderen Worten, wer sich selbst nicht vom öffentlichen Leben oder dem als mächtig empfundenen historischen Geschehen ausschließen wollte, der musste auslegen, was „Nationalsozialismus“für ihn selbst bedeutete.
Damit ist ein zentrales Strukturmerkmal der deutschen Geschichte 1933-45 insgesamt angesprochen: die Einsicht in den Projekt- und Projektionscharakter des Nationalsozialismus.

Donnerstag, 14. April 2016

Gangbangin in Syria we don give a fuck

 

Unfassbar - das ist wohl Postmoderne: Gangster aus LA, die keinen Satz ohne "Homie" rausbringen, kämpfen in Syrien für Assad. "When I die chola don't cry, just know ur cholo went out banging, I went out banging..."

Offenbar handelt es sich zumindest bei einem von ihnen um ein Mitglied der "Armenian Power"-Gang, der aus offensichtlichen Gründen gegen die von Ottomanen gedeckten Islamisten kämpfen wollte. Er ist längst tot.

Dienstag, 5. April 2016

Elsässer, du bist dran Schuld!



Ich mag es, wenn Leute die Wahrheit sagen. Das tun sie viel zu selten, vor allem über sich selbst. Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechten Schmierenblattes COMPACT, ist einer, der sich besonders ungern in die Karten schauen lässt. Umso schöner, dass er kürzlich sich zumindest ein wenig selbst entlarvt hat: 
Die Leipziger linke Szene hat so etwas wie eine libidinöse Hass-Liebe zu mir entwickelt. Anders ist kaum zu erklären, warum sich ihr hübsch gemachtes Zentralorgan, das Stadtmagazin “Kreuzer”, in ihrer April-Ausgabe gleich auf geschlagenen zehn Seiten mit mir und COMPACT beschäftigt und mich sogar zum Coverboy macht. Offensichtlich haben die verkifft-versifften Studi-Loser begriffen, wer ihnen wirklich gefährlich werden kann…
So schrieb er auf seinem Blog. Die fragliche Titelgeschichte habe ich geschrieben, mit etwas Hilfe und tatkräftiger Unterstützung des Chefredakteurs Andreas Raabe. Elsässers Reaktion ist erstens entlarvend, weil er endlich mal richtig über die Linken pöbelt, die ihn ständig kritisieren, ("verkifft-versifften Studi-Loser!" - das kommt richtig von Herzen, das spürt man! Das gefällt mir!), aber vor allem, weil er unter Beweis stellt, dass er wirklich alles für narzistische Selbstvermarktung verwerten kann. In dem langen Artikel lege ich ausführlich dar, dass Elsässer ein opportunistischer, geltungssüchtiger, manipulativer Demagoge ist, der womöglich das meiste von dem, was er von sich gibt, selbst nicht glaubt. Seine Zeitschrift ist zwar gut gemacht, aber intellektuell ... dünn, enthält entweder absichtlich verfälschte oder schlampig recherchierte Fakten, und spielt auf eine schleimige Weise, die man wirklich nur professionell nennen kann, mit antisemitischen Ressentiments und dem puren Fremdenhass. Es ist das traurige Ende einer langen, verkorksten Entwicklung, und es ist einfach das Letzte. Anstatt sich aber mit irgendwelchen der Vorwürfe auseinander zusetzen, zitiert Elsässer einfach ein paar Sätze, welche seinen wachsenden Erfolg im Fahrwasser von PEGIDA und AfD beschreiben und kommt zu folgendem Ergebnis:
Aber die Frage ist doch, warum investiert Ihr -zig Stunden Recherche und Schreibtischarbeit in die Beschäftigung mit meiner Person? Merkt Ihr vielleicht, dass Euch die Felle davonschwimmen? Habt Ihr Muffe, dass auch in Eurem eigenen Klientel mittlerweile das Unbehagen über die Asylflut wächst – und dass die Nachdenklichen bei Euch zu COMPACT finden könnten? Zwischen den Zeilen liest man jedenfalls, wie verdammt neidisch Ihr auf COMPACT und mich seid.  
So kann man auch stolz auf seinen Erfolg sein. Der Front National ist auch erfolgreich - na und? Die Wahrheit ist vielmehr, dass Elsässer, was immer er sonst politisch an Verheerungen anrichten mag, auch einfach eine unfassbar groteske Persönlichkeit ist, über die es Spaß macht zu lesen - und zu schreiben. Dass er mit seinem Blödsinn auch noch so gut zu unseren grotesken Zeiten passt, und vieles von dem, was im Moment falsch läuft in diesem Land, wenn nicht verkörpert, dann doch mit aller Kraft befördert, kommt noch hinzu. Elsässer ist unterhaltsam, das ist ja auch sein Kapital, und er ist im Einklang mit zumindest den unappetitlicheren Aspekten des Zeitgeistes. Wenn er nicht so eine (bescheuerte, größenwahnsinnige und ressentimentgeladene) Show abzöge, würden sich ja auch seine Fans nicht für ihn interessieren.

Besonders amüsant ist übrigens, dass die Kommentare unter Elsässers Posting schnurstracks auf ein ganz besonderes Thema zumarschieren und das erstmal ausgiebig besprechen. Irgendwann fragt einer der Kommentatoren: 
Wie sind wir eigentlich von den Anti-Elsässer-Kampagnen auf die Juden gekommen?
Gibt, soviel ich weiß, auch viele Arier, die die Völkervernichtung postulieren und fabrizieren.
Das kann man sich doch echt nicht ausdenken.

Ich bin sehr dagegen, sich auf überhebliche Weise hämisch über das, wie man so oft hört, ungebildete, dumme Fußvolk der Ausländerfeindlichkeit lustig zu machen. Diese Art Verächtlichkeit ueber Menschen, die ja doch nichts zu sagen haben, die Welt nicht verstehen und oft echte eigene Probleme haben, hilft ja niemandem. Nicht aber bei Elsässer und seinen absurden Spießgesellen. Da ist jeder Spott erlaubt. Vor allem weil es, da bin ich mir sicher, wirklich weh tut, denn sie wissen ja selbst, wie arm ihre ganze Sache eigentlich ist. 

Zu lesen ist meine Reportage über Elsässer und COMPACT online hier.


Und wer sich über echte Probleme Gedanke machen will, dem empfehle ich diesen kurzen Text von Bersarin, über die Linke, die den Kontakt zur Bevölkerung verloren hat. Stimmt sehr nachdenklich, gerade hier in Ostdeutschland: 
Nein, jene, die „Refugees welcome“ rufen, sind in der Regel nicht die, welche am Ende mit den Geflüchteten um die raren Arbeitsplätze werden raufen müssen: Die wenigsten Flüchtlinge arbeiten als Lehrer, Ärzte, Journalisten oder im Medienbereich (nicht einmal als Kabelträger), sie werden nicht in Kreativberufen reüssieren und die wenigsten werden als Künstler wirken oder den sauer erstrampelten Kolumnenplatz von M. Stokowski übernehmen, sondern der Niedriglohnbereich, die Friseurin, die Aushilfe, der Zeitungsausträger, der Lagerarbeiter, sofern es den noch gibt, wird das Tätigkeitsfeld sein. Für die kapitalistische Gesellschaft steht die Konkurrenz als tragendes Prinzip. Aus dem Heer einer industriellen oder einfach nur zerlumpten Reservearmee sich den Hilfsarbeiter oder die Soldaten für kommende Kriege aussuchen zu können. Es ist die Gesellschaft selbst und wie sie eingerichtet ist, die exakt diese Widersprüche produziert und andauernd reproduziert. Solange es so bleibt, bleibt es, wie es ist. Wer vom Kapitalismus nicht reden mag, sollte von den Flüchtlingen schweigen.
Hier schreibt ein gewisser Johannes Simon über ein ähnliches Thema:
Die Gleichsetzung von rechtem und „linken Nationalismus“ ergibt sich aus einer ideologischen Wahrnehmung des politischen Feldes, das nur einen liberalen Mainstream kennt und alle Abweichungen als dessen Gegenteil wahrnimmt. Die Kehrseite der vorgeblichen Einheit von multikultureller Liberalität und wirtschaftsliberaler Globalisierung ist dann die Gleichsetzung sozialdemokratischer Arbeitsmarktreformen mit reaktionärem Nationalismus.

Diese Einheit wird unter dem Begriff des „Populismus“ zusammengefasst. Gemeint ist eine verantwortungslose Nachlässigkeit politischer Eliten im Angesicht der niederen Impulse jener Teile der Bevölkerung, die sich, erschöpft vor zuviel Freiheit und Modernisierung, in die Nestwärme der nationalen Heimat und des Sozialstaats zurückziehen wollen. Menschen, die weder die Disziplin noch die federleichte kulturelle Souveränit besitzen, um sich in der Zukunft des globalen Wettbewerbs und der toleranten Multikulturalität zurechtzufinden.
[...]

 Es ist das tiefsitzende Misstrauen gegenüber dem frei ausgedrückten Willen der Massen – der Demokratie – das humanitär gesinnte Liberale, Neoliberale Eliten und autoritäre Neokonservative heute eint.

Und dann ist es auch irgendwann egal, ob das, wie im Falle der Konservativen einem tiefsitzenden Instinkt entspricht oder, wie zum Teil im Falle der Linksliberalen, das Resultat von jahrzehntelanger politischer Resignation ist.

Montag, 4. April 2016

Video: Wutbürger warnt vor Aufgabe der deutschen Identität

Intellektuell verwahrlost, ressentimentgeladen, proletenhaft: So begegnen uns die Ausländerfeinde. Nichts haben sie im Leben erreicht (wie Farin Urlaub sagen würde), und klammern sich umso mehr an ihr Deutschtum. Voller Hass, voller kleinlicher und "rückwärtsgewannter" Furcht, dass man ihnen Deutschen etwas wegnehmen könnte. Ungebildete Globalisierungsverlierer, die sich in eine einfachere, sichere Welt zurücksehnen. Dumme Menschen, denen vielleicht einfach der Intellekt fehlt, um zu verstehen, was die "Lügenpresse" ihnen über die Welt beibringen könnte. Die lieber gröhlend mit Bierflasche in der Hand Asylanten angeifern: Das ist der AfD-Wähler. Oder?

Hier wurde einer von ihnen von der Kamera erwischt, als er sich aus irgendeinem Grund ausgerechnet in einen Vortrag des ifo-Institutes geschmuggelt hatte. Diese prollige Hetze ist wirklich kaum auszuhalten! Unbedingt anschauen!!11!!1

Ich werde nie verstehen, warum "Bürgerlichkeit" für sich in Anspruch nehmen darf, ein Synonym für "Zivilisiertheit" zu sein. Aber die Rassisten und Asozialen sind immer die anderen. Wer jemals einen Vertreter des "Bürgertums" nach ein paar Rotwein zu viel auf gewisse Themen angesprochen hat, der weiß, dass ein teurer Anzug nicht heißen muss, dass man nicht hassen kann.

Dieser AfD-Jünger zumindest hat ein Vermögen von ... 6 bis 11 Milliarden Euro, je nach Schätzung. Alles selbst verdient. Geradezu ein platonisches Ideal des deutschen Mittelstandes in aller seiner Herrlichkeit. Und außerdem glaubt er, unsere deutsche Identität ist von der Migrantenflut bedroht.

Freitag, 18. März 2016

"Compact" auf der Leipziger Buchmesse

Ein kurzer Bericht, bevor ich schlafen gehe.

Heute Nacht führte mich mein Weg zufällig in die Hedwigstraße in Leipzig, wo mir ein riesiges Grafiti in die Augen fiel: "Legida NAZI Elsässer" war da über die ganze Hauswand gesprüht. Einige Pfeile zeigten nach oben - wie ich wusste, zu  einer Wohnung im vierten Obergeschoss. Wenige Wochen zuvor hatte eine Gruppe Antifas Elsässers Adresse öffentlich gemacht. In einem begleitenden Artikel dokumentierten sie auch, wie sie offenbar für einige Zeit Paparazzi gespielt hatten. Nachzulesen hier

Jürgen Elsässer, das ist der Chefredakteur und das Mastermind hinter der rechten Populärzeitschrift Compact. Die Compact, in der es seit Monaten um wenig mehr als "Morde, Massaker und Migranten" geht, ist für die Pegida-Wutbürger das, was die konkret mal für die Studentenbewegung gewesen ist: Vieles von dem, was den neuen Ausländerfeinden so Irres und Hasserfülltes im Kopf herumschwirrt, und wo man sich fragt: 'Wo kriegt man solche Vorstellungen eigentlich her?', stand nämlich irgendwann wohl mal in dieser Zeitschrift. 

Jetzt ist der Vergleich mit der konkret natürlich ehrenrührig, aber in einem passt er wie die Faust aufs Auge: Die konkret wurde von dem windigen, dandyhaften Geschäftemacher Klaus Rainer Röhl (ex-Mann von Ulrike Meinhof) betrieben, der offenbar schon immer mehr aus Lust an der Action und dem APO-Entrepreneur-Lifestyle dabei war, als aus Idealen, und in späten Jahren sogar noch eine ziemlich Rechtskurve hinlegte (er promovierte bei Ernst Nolte). Auch bei Jürgen Elsässer, der sich gerne als aufrechter Kämpfer für unterdrückte Wahrheiten verkauft, sind Zweifel an seinen Motiven berechtigt. Seit Monaten arbeitet er unermüdlich daran, mit der Neuen Rechten aus Sachsen/Sachsen-Anhalt und dem rechten Flügel der AfD (Gruppenbild hier) gemeinsam eine neue Volksbewegung aus dem Boden zu stampfen - eine rechte APO, der er die Stichworte liefert. Er träumt davon, dass bald 500.000 Menschen in Berlin aufmarschieren und die Regierung stürzen und tourt dazu durch die Provinz und hetzt gegen Fremde: Gegen die "Gang-Bang-Migranten" und die "Türken, Araber und anderen asozialen und schlecht erzogenen Orientalen", welche uns bedrohen. Vor allem die Bedrohung für Frauen schlachtet er aus, um Fremdenhass zu schüren. Das Problem seien die  "testosterongestäuerte Orientalen, die keinen Respekt vor der Gleichberechtigung haben, die Grabbeln, Grabschen und Fummeln und Vergewaltigen bei allem, was nicht bei drei auf den Bäumen ist." All das sagte er vor einigen Wochen vor 3000 Menschen in Zwickau - ich war vor Ort und habe schon hier die schauerlichen Worte seines Nachredners, des Ex-NPD-Kandidaten Ulrich Pätzold dokumentiert. Sollte also dieser Jürgen Elsässer wirklich so eine Furcht vor den Fremden haben, wie er von allen Bühnen bellt, und sie nicht nur bei anderen schüren, um Auflage und Radau zu machen - würde er dann wirklich seit Jahren an der Eisenbahnstraße wohnen, wie die Antifa behauptet? Einer der ganz wenigen Ecken von Leipzig, wo überhaupt Migranten im Straßenbild auffallen? Das ist so eines der Rätsel, die diese Figur umgibt.

Über den Auftritt der Compact auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse gab es schon im Vorfeld viel Kontroverse. Ein breites Bündnis politischer Gruppen rief die Messe in einem offenen Brief auf, Compact auszuladen und offenbar hat es auch ein bisschen Randale und Sachbeschädigung im Messegelände gegeben, um dieser Forderung noch einmal Gehör zu verschaffen. Weil die Compact nichts lieber tut, als Märtyrer spielen, hat sie deshalb das Thema der heutigen Veranstaltung umgewidmet in "Die zensierte Republik. Deutschland in Zeiten von Meinungskartell und Zensur". Düster blickendes Sicherheitspersonal inklusive. Elsässer selbst hatte die Teilnahme mit Verweis auf einen Krankheitsfall in seiner Familie abgesagt.

Ich habe die Veranstaltung teilweise miterlebt und will kurz meine Eindrücke schildern:Sie war mit 17:00 Uhr sehr spät angesetzt, aber trotzdem gut besucht. Allerdings zeigte sich bald deutlich, dass vielleicht nur etwa 30 Compact-Anhänger gekommen waren, die dafür von einer großen Traube amüsiert-kritischer Menschen umgeben waren, von denen einige immer wieder lautstark den Reden der zwei Compact-Vertreter Peter Feist (wie immer mit Vokuhila) und Martin Müller-Mertens widersprachen. Beide konnten kaum beneidet werden, denn deutlich fand die Veranstaltung in einer kritisch-aufgeladenen Atmosphäre statt - und wenn das rechte paranoide Weltbild eines fürchtet wie die Vampire die Silberkugel, dann ist es Widerspruch. Leider hatten sie sich in der Sache sehr geschickt u.a. das Thema Akif Pirinci ausgewählt, dessen Kommentare über "Konzentrationslager" und ihre Betriebsamkeit von den Medien verdreht worden seien. Damit hatten sie leider tatsächlich recht: Viele Zeitungen hatten damals aus den lächerlichen, absurden, hetzerischen Aussagen Pirinccis mittels einer Verdrehung eine noch lächerlichere, noch absurdere und noch hetzerische Aussage gemacht - das stimmt einfach. Hier schildert etwa Stefan Niggemeier den Zusammenhang. Weil sich aber viele im Publikum völlig zu Recht darüber empörten, dass die Compact-Menschen diese Geschichte nun hervorkramten, um eine angeblich systematische Verfolgung "Falschdenkender" zu konstruieren, mit Vergleichen zur Bücherverbrennung der Nazis inklusive, konnte sich das Compact-Lager an diesem Abend wohl wieder mal als unschuldiges Opfer von Anfeindungen fühlen. 

In Wirklichkeit war es bloß eine recht kümmerliche Veranstaltung. Groß hatte man noch vorher angekündigt, man wolle auch die Auseinandersetzung mit den Kritikern suchen: 
Last but not least, sind auch Kritiker willkommen: Fragt uns! Diskutiert mit uns! Überprüft eure eigene Meinung! Argumente statt Steinwurf und Gebrüll… Ja, das erfordert Mut.
Tatsächlich wurde schon dem zweiten kritischen Frager bald das Mikrofon abgestellt und die Veranstaltung abgebrochen - schon vorbei. In Wirklichkeit dürfte dieses Event, ebenso wie der ganze große Auftritt auf der Messe, vor allem dazu dienen, Aufmerksamkeit zu schaffen und sich als "normales" Magazin, das die "Debatte sucht", zu präsentieren. Vor Ort ist das nicht gelungen, aber im Internet lässt es sich den Gefolgsleuten wohl später so verkaufen. 

Später kam es noch zu einem Zwischenfall. Es wurden viele Fotos gemacht auf dieser Veranstaltung, denn schließlich war auch die Presse eingeladen. Einer der Fotografierenden war offenbar als Aktivist für die gute Sache unterwegs und erntete lautstarken Protest. Da muss wohl jemand richtig ausgetickt sein, denn ich hörte Schreie noch aus ziemlicher Entferungn und plötzlich war alles voller Polizei, welche einige Menschen aus der Menge abführte, wie mir geschildert wurde. Später sah man noch viele Polizisten herumstehen, aber genau klären, was passiert ist, konnte ich leider nicht. Hoffentlich alles gut geworden, aber Gewalt hatte es wohl nicht gegeben. Interessant, dass so viel Polizei offenbar die ganze Zeit bloß gewartet hatte, bis was passiert, ohne sich zu zeigen.

Ich hätte übrigens auch gerne eine Frage gestellt, hatte sie sogar im Kopf schon vorformuliert: Es wäre die Frage danach gewesen, warum denn Compact zufolge George Soros speziell zum "Drahtzieher" der Flüchtlingskrise geworden ist, und wer genau eigentlich, und aus welchen Motiven, die "Migrationswaffe" gegen Deutschland schwingt. Und was das alles mit jahrzehntealten Träumen von der rassischen Durchmischung Europas zu tun hat, wie es in einem kürzlichen Compact-Heft alles zusammengerührt wurde.

Auf einem Kongress der schweizerischen "Anti-Zensur-Koalition" sprach Elsässer davon, die Flüchtlingskrise sei "in Wirklichkeit eine gesteuerte Invasion." Er sagte auch,"das Ziel der Hochfinanz" sei nicht der "Kampf der Kulturen", sondern die "Verschmelzung der Kulturen, und die Schaffung einer ONE-World über die Auslöschung aller Unterschiede." 



Na das ist doch interessant. Das hätte ich doch gerne mal vertieft. DAS hätte ich wirklich gerne heute mal von verantwortlichen Redakteuren näher erläutert bekommen. Aber eine Auseinandersetzung auch mit Gegenstimmen wollten die natürlich nicht. Morgen wird es noch eine öffentliche Compact-Veranstaltung auf der Buchmesse geben, diesesmal zum 5-jährigen Bestehen der Zeitschrift. Vielleicht hat ja da jemand die Gelegenheit, diese Fragen zu stellen.     

Ich bereite gerade einen Artikel vor, über die erstaunliche Tatsache, dass Jürgen Elsässer, der Russlandfreund und Amerikahasser, der doch in vielem so völkisch-bodenständig und traditionell denkt, die Grundzüge seiner paranoiden Weltsicht ausgerechnet aus den USA importiert hat. Wirklich. Würde das gerne irgendwo veröffentlichen. Alles was uns jetzt hier in Deutschland, mit Alternativmedien, Elitenhass, "Neue Weltordnung", etc. etc. so bizarr und unverständlich entgegenhaucht, hat es in Amerika ja schon vorher gegeben. Und auch so merkwürdige reaktionäre Prediger, wo man nie weiß, ob die gerade eine echte Überzeugung äußern, verwirrt sind, oder einfach ihrem Publikum eine Show liefern wollen - das wurde in den USA erfunden, im Talkradio, um genauzusein. Finde ich zumindest!

Bis dahin: nanannananaaaananananaaanaaananaNANAAAANAAAAA. 

Montag, 29. Februar 2016

Eine Zensur findet nicht statt


Ich arbeite gerade an einem neuen Text über die Neue Rechte, bin aber zu sehr mit anderen Sachen beschäftigt, weshalb es damit noch etwas dauern wird. Ich möchte jetzt nur kurz eine aktuelle Angelegenheit kommentieren. 

Von Seiten der Antifa wird immer wieder, und scheinbar sehr erfolgreich, versucht, Veranstaltungen der "Neuen Rechten" zu verhindern. Wie es auch bei rechtsextremen Gruppen wie etwa der NPD üblich ist, wird dann beispielsweise Druck auf Veranstalter, etc. ausgeübt, damit diese ihre Räumlichkeiten den Rechten nicht zur Verfügung stellen. Oft weichen diese deshalb auf Häuser von Burschenschaften aus, wobei selbst dort nur noch sehr wenige bereit sind, sich auf diese Weise mit den Zielen der Rechten zu identifizieren. 

Es ist - ganz objektiv betrachtet - eine sehr effektive politische Strategie: Gewisse Ansichten werden so daran gehindert, als "normal", "bürgerlich", oder legitim in Erscheinung zu treten. Es umgibt sie dadurch immer der Nimbus des Radikalen, staats- oder menschenfeindlichen, der eine breitere Wirkung unmöglich macht. Vor allem etablierte Personen, die solchen extremeren Positionen mit ihrem Namen Legitimation verleihen könnten, scheuen in der Konsequenz davor zurück, mit ihnen in Verbindung gebracht zu werden. Oft geht es der Antifa dementsprechend auch bloß um Aufklärung und Protest, was ja völlig normale Mittel der politischen Arbeit sind. Und sehr oft ist das Gejaule der Rechten über "politisch korrekte" Zensur auch einfach nur heuchlerisch.

Jetzt meldet die Zeitschrift "Sezession" allerdings, dass ihr aus "politischen Gründen" das Steuerbüro und die Bank gekündigt habe: 
Wer ein bißchen aufmerksamer liest und las, weiß längst, daß wir nicht deshalb keine Veranstaltungsräume mehr finden in Berlin und in anderen größeren Städten, weil uns die Wirte nicht vermieten wollten: Sie ziehen ihre Zusagen zurück, weil ihnen die Verwüstung ihres Lokals oder wenigstens eine Denunziationswelle droht, und natürlich finden das die ganzen Zeilenhuren und Sekundärpublizisten, die ihre Existenz unserer Originalität verdanken, gar nicht bedenkenswert, sondern schon in Ordnung so. Ist ja ein freies Land, kann ja jeder Wirt selbst entscheiden, wem er ein Plätzchen gewährt.

Diesmal schneidet es aber tiefer ein: Uns ist aus politischen Gründen das Steuerbüro abhanden gekommen, und der Sezession das Konto wieder (aber keine Sorge: Überweisungen kommen schon noch an, wir haben eine Frist, und mein Verlag ist nicht betroffen!).
Vor zwei Jahren schon hatte Amazon einige Bücher des Antaios-Verlages (der an die "Sezession" angeschlossen ist) aus dem Sortiment genommen, hatte sie also nicht mehr für den Verlag vertrieben. Da Amazon im Buchhandel quasi über ein Monopol verfügt, war das für den kleinen Verlag keine Trivialität, und auch hier hatte es scheinbar Druck auf Amazon gegeben. Die FAZ berichtete als einzige Mainstream-Zeitung darüber. 

Ich bin nicht neutral in dieser Frage. In der Sache stehe ich bei der Antifa, wenn ich auch keineswegs ein Aktivist bin oder sein will. Ich habe auch kein Problem mit aggressiven politischen Manövern, die sich am Rande der Legalität bewegen - der Tortenwurf gegen Beatrix von Storch zum Beispiel war vielleicht nicht die klügste Aktion, aber prinzipiell ist so etwas in Ordnung. Auch ist die "Sezession" seit spätestens einem Jahr immer mehr aktivistisch in Erscheinung getreten, und muss also damit rechnen, dass andere Maßstäbe angelegt werden als an ein intellektuelles Nischenmagazin. 

Ich bin außerdem der Ansicht, dass einige Ansichten tatsächlich keinen Platz in der Öffentlichkeit haben dürfen, und dass man diese Festlegung im Zweifelsfall nicht dem Staat und den Gesetzen überlassen darf, sondern politisch erkämpfen muss. Auch wenn man dabei das Akzeptable vom Inakzeptablem, etwa was Antisemitismus oder Rassissmus betrifft, durchaus nach objektiven Kriterien unterscheiden kann, sollte man nicht leugnen, dass Entscheidungen solcher Art immer eine politische Stoßrichtung haben. Diese Selbstkontrolle der Öffentlichkeit ist eine Gradwanderung, aber eine notwendige. 

Mich stoßen aber solche Zensuraktionen gegen politische Gegner, so es nicht wirkliche Verbrecher sind, doch eher ab. Das ist einmal Geschmackssache, denn es wirkt eben doch irgendwie feige und denunziatorisch. Auch verbirgt sich dahinter eine Denkweise, die auch in politisch weniger entscheidenden Fragen zum rigiden Moralismus, und schließlich zu einem langweiligen Konformismus führen kann. Ich bin sehr dafür, Menschen in aller Härte und in aller Öffentlichkeit anzugehen, wenn man denkt, sie haben das verdient. Aber hinter den Kulissen zu arbeiten, um ihnen die Möglichkeiten zur Arbeit zu nehmen ist ja kein politischer Angriff, sondern ein Vernichtungsversuch, eine kalkulierte Gemeinheit, die überhaupt keine öffentliche Wirkung hat und niemanden überzeugen wird. Es geht weniger um Politik als um einen Richtspruch. Und wer braucht sowas?

Ohne einen hysterischen Vergleich a la "Meinungsdiktatur EUSSR" ziehen zu wollen, erinnert mich das auch an die McCarthy-Ära. Aber in einem sehr präzisen Sinn:

Im allgemeinen haben wir die Vorstellung, politische Verfolgung und Zensur gehe immer von einem Staat aus, der die Grenzen der liberalen Ordnung übertritt und die Freiheitsrechte seiner Bürger verletzt, und so erinnern wir uns auch an die Kommunistenhatz unter Senator McCarthy: Die paranoide Hysterie in der amerikanischen Gesellschaft erlaubte es der Regierung, für einige Jahre mit freier Hand Menschen für ihre politischen Überzeugungen zu verfolgen. 

Viele liberale Ideologen nennen deshalb auch den McCarthyismus als Paradebeispiel für einen außer Kontrolle geratenen Staat. Sie argumentieren, dass allein die Freiheit des Marktes noch die Freiheit der zu Unrecht verfolgten garantiert habe. Während die Regierung in ihren eigenen Reihen Säuberungsaktionen durchführen konnte, habe die freie Wirtschaft zumindest Zuflucht geboten und so garantiert, dass keine Existenzen zerstört wurden. Ausgerechnet die pro-kapitalistischen Säuberungen hätten dank des Marktes die politische Freiheit nicht gefährden können - so argumentierte etwa Milton Friedman in seinem 1962 erscheindenen Buch "Capitalism and Freedom". Er schrieb weiter:
One may believe, as I do, that communism would destroy all of our freedoms, one may be opposed to it as firmly and as strongly as possible, and yet, at the same time, also believe that in a free society it is intolerable for a man to be prevented from making voluntary arrangements with others that are mutually attractive because he believes in or is trying to promote communism. His freedom includes his freedom to promote communism. Freedom also, of course, includes the freedom of others not to deal with him under those circumstances.
Das ist allerdings, wie immer bei Libertären, auf gefährliche Weise zu kurz gedacht.

In Wahrheit war der Agent des McCarythismus nämlich nicht primär der Staat, es waren private Unternehmen selbst, die oft aus eigener Initiative, ohne dass man Druck gegen sie ausüben musste, ihre Angestellten auf eine Weise einer Säuberung unterzogen, wie es die Regierung niemals gekonnt hätte. Es war eine zivil organisierte konformistische Hexenjagd. Corey Robin nennt die Zahlen: 
We all remember the McCarthy hearings in the Senate, the Rosenbergs, HUAC, and so on. All of these incidents involve the state. But guess how many people ever went to prison for their political beliefs during the McCarthy era? Less than 200 people. In the grand scheme of things, not a lot. Guess how many workers were investigated or subjected to surveillance for their beliefs?  One to two out of every five. And while we don’t have exact statistics on how many of those workers were fired, it was somewhere between 10 and 15 thousand.
Die meisten Unterdrückungsmaßnahmen wurden also von Chefs gegenüber ihren Angestellten ausgeübt. Im liberalen System ist allerdings die Macht, die ein Unternehmer über seine Angestellten, oder ein Quasi-Monopolist wie Amazon über seine "Kunden", ausüben kann, verschleiert. Wir hängen stattdessen der Fiktion an, unsere Wirtschschaftsordnung basiere auf Verträgen und Tauschakten, also der freiwilligen Kooperation gleichgestellter Individuuen. Zensur und Unterdrückung, die nicht vom Staat ausgeht, sondern von (konzentrierter) privater Macht, ist für uns unsichtbar.

Die ironische Pointe ist daher, dass nur ein linker Etatismus, der die Rechte von Angestellten und Kunden stärkt und sie den privaten Tyrannen, die über ihr Leben bestimmen, nicht schutzlos ausliefert, kombiniert mit einem echten wirtschaftlicher Pluralismus, verlässlich die Meinungsfreiheit garantieren kann. Die größte Gefahr für unsere Öffentlichkeit besteht in der stillen Furcht derer, die um ihren Job bangen, oder um ihre Aufträge. Kurz: um ihre Karriere. Eine solche Furcht, man könne sich durch bestimmte Positionen unmöglich machen, oder auch einfach nur ignoriert werden weil man nicht so liefert, wie es erwartet wird (was ja für Journalisten und Autoren schon den Tod bedeutet), darf man natürlich in der Regel nicht öffentlich eingestehen, aber sie bildet quasi das Hintergrundrauschen einer Öffentlichkeit in der alle professionellen Stimmen ohne Ausnahme abhängige Angestellte sind.

(Das ist übrigens auch der Grund, warum ich in der Beschreibung dieses Blogs so mit meiner künftigen Arbeitslosigkeit kokettiere. Ich habe keine ernsten Sorgen in der Richtung, aber die Notwendigkeit, auf einen Job hinzuarbeiten, übt einen gewaltigen Einfluss auf jeden aus, der irgendwann von seinen Worten und seinem Namen leben möchte. Das ist nicht zwingend verhängnisvoll, aber schlecht und lästig ist es doch, und man sollte damit so bewusst und offen umgehen wie möglich.)

Nebenbei gesagt, gibt es noch einen Grund, sich mit der amerikanischen Paranoia aus den 50ern zu beschäftigen: Viele der damals geäußerten quasi-antisemitischen Verschwörungstheorien über eine finstere Unterwanderung der Regierung ähneln auf erstaunliche Weise dem, was man heute von den wirreren "Asylgegnern" manchmal hören kann. Die Parrallelen sind wirklich frappierend. Hier ist zum Beispiel ein interessantes Interview mit einer Frau, die in der faschistischen John Birch Society aufwuchs.

Donnerstag, 25. Februar 2016

Feeling the Hate in Zwickau

Eines muss man Rechten lassen: Sie sind nicht bequem. Letzten Samstag stand ich mit über 3000 Demonstranten im eisigen Regen auf dem historischen Marktplatz von Zwickau, während uns von der Bühne stundenlang auf ermüdendste Weise die Hetze entgegenschallte. Zumindest einige in der Menge müssen sich gemeinsam mit mir heimlich gefragt haben: "Was zur Hölle machst du eigentlich hier? Hast du wirklich nichts besseres zu tun?" Aber für die Sache müssen auch Opfer gebracht werden, und so bissen wir die Zähne zusammen und hielten aus. 

Wie die meisten war ich gekommen, um Jürgen Elsässer sprechen zu hören, aber besonders beeindruckt hat mich Ulrich Pätzold, ein NPD-Kader aus dem Erzgebirge, der den richtigen Bierhallen-Sound von 1922 brachte. Immer daran denken: Das Publikum waren einige Tausend recht normal aussehende Wutbürger aus Westsachsen, ältere Ehepaare neben Halbstarken in Jogginghose und Picaldi-Pulli, Mitglieder eines "Bürgerforums" mit Friedenstauben am Revers neben Leuten von der "Heimatschutzbrigade Plauen". Und das identitäre Lambda neben der Reichsflagge.

Auch aus Bautzen, wo noch am selben Abend ein noch leerstehendes Flüchtlingsheim angezündet wurde, war eine Delegation angereist.

Bei dieser Stimme läuft es mir eiskalt den Rücken runter:


Einige ausgewählte Zitate: 

"Damit diese Bonzen Nachts vom Metzger träumen, und damit meine ich uns natürlich, das deutsche Volk, sind wir heute zusammen gekommen!"

"Wir wollen in unserem Land 70 Jahre nach Kriegsende endlich wieder selbst bestimmen können!"

"Globalistenfront verrecke!"

"Die Medienmeute."
"Presseschmierer."
"Antideutsches Pack."
"Politdarsteller", "Bonzen", "charakterschwache Nullen", "Kinderschänder", "berufslose Versager", kriechen der amerikanischen Nomenklatur hinterher, Kriminelle. 

"Wir sind rechtschaffen. Wir tragen das Herz am rechten Fleck. Wir spüren noch etwas bei dem Wort Heimat, Vaterland, Muttersprache."

"Wenn einer die Sozialreformen von Friedrich Engels gut findet, und ein anderer die Leistungen der Wehrmacht, gut da kann man drüber streiten, aber das ist Geschichte, und heute, heute ist unser Volk in seinem Leben bedroht, unsere ganze Tradition ist bedroht..."

"Es geht um unsere Freiheit... Freiheit hängt unmittelbar mit Macht zusammen. Wer nicht frei ist, unterliegt immer einer fremden Macht. Durch die Asylanten erkennen die Deutschen endlich, dass sie im eigenen Land eigentlich gar nichts zu sagen haben."

"Der Plan, Völker durch Vermischung zu zerstören ist ja nicht alt [oder "recht alt"?], wie wir alle wissen. Es gab den zweiten Weltkrieg. Aber der russische Abgeordnete der Duma Dimitri Fjodorow [?] sagte vor kurzem: "Uns ist klar, dass die Migration nach Europa von den USA initiiert worden ist, um die nationalen Staaten zu zerstören. Wenn die europäischen Staaten ihre nationalen Identitäten verlieren, können sie sich niemals mehr als Einzelnationen gegen Washington auflehnen." Die bevölkerungsmäßige Zerstörung und die Plünderung unserer Heimat ist nur ein geostrategisches Ziel dieser Verbrecher von Wall Street und Londoner City. Und nach 70 Jahren Gehirnwäsche im Westen und 25 Jahren Verarsche hier in Mitteldeutschland glauben diese Verbrecher, es sei Zeit um diese alten Pläne umzusetzen. Aber zum Glück regt sich der Widerstand. Und das wird nicht funktionieren. [Menge schreit: Widerstand! Widerstand!] Die deutschen Menschen werden jetzt durch diese flutartigen Ereignisse gezwungen werden, endlich einen Standpunkt zu beziehen. Die feige Beobachterposition vom Wohnzimmersessel und das Diskutieren über die Dinge ist vorbei. Jetzt geht es darum ob wir ein freies deutsches Land halten wollen."

"Wenn die Politiker in der Zukunft weiterhin glauben, immer nach Weisungen der amerikanischen Strippenzieher entscheiden zu müssen, wird sich der Volkszorn eben massiv entladen. Werden Sie also alle zu Wutbürgern! Denken sie immer an die wahren Schuldigen!"

"Wir haben noch eine demokratische Chance. Ich hoffe, dass wir sie auch ergreifen können, weil was sonst kommt, ist wirklich entladener Volkszorn und der ist wirklich unberechenbar."

Was ich also an diesem Samstag gelernt habe: Faschismus wärmt scheinbar von innen. Das wohlige, angenehme Gefühl, das einen erfüllt, wenn man in der deutschen Menge steht und seinen Aggressionen freien Lauf lassen kann, lässt einen Regen und Kälte offenbar einfach vergessen. Ich hatte, linksversifft wie ich bin, diesen Vorteil leider nicht. Mir war nicht nur irgendwann sterbenslangweilig, ich bin auch gleich krank geworden. Aber es musste eben sein!

Montag, 22. Februar 2016

Widerstand damals und heute


Ab Minute 54, besonders 54:40.

Die Generation Pegida, also der durchschnittliche Demonstrant, ist männlich und 48 Jahre alt. Er wurde also gerade erwachsen, als die Mauer fiel, und musste sich in der neuen Welt ein Leben aufbauen. Er ist nicht in den Westen emigriert, sondern geblieben. Er ist meist gebildet und er ist nicht arm. Aber er hatte es nicht leicht. Selbst wenn es ihm trotz der Arbeitslosigkeit und dem Ausverkauf der 90er gelungen ist, beruflich erfolgreich zu sein, dann doch unter schwierigen, oft entmutigenden Bedingungen. Es gab Rückschläge, Demütigungen, vor allem aber, jetzt im mittleren Alter, das nagende Gefühl, es nicht wirklich geschafft zu haben, irgendwie doch hinter seinen Möglichkeiten zurück geblieben zu sein. Vielleicht sogar die stille und wütende Ahnung, dass man um etwas betrogen wurde. Vorwürfe und Hass. Ja, gut, es ist vielleicht nicht schlecht, aber es ist nicht das, was man sich einmal erhofft hatte. Was man vielleicht glaubt, verdient zu haben. Aber geschenkt kriegt niemand was, das hat man gelernt.

Und jetzt also hat einen die Regierung endgültig verraten. 


Pegida ist Faschismus für verbitterte Männer im mittleren Alter.

Samstag, 20. Februar 2016

Lauter schöne Seelen

Grenzen abschaffen und laufen lassen“, unter diesem Titel fantasiert die europapolitische Think-Tankerin Ulrike Guérot in der Taz von einer Welt ohne Grenzen. Man weiß nicht, wie man mit ihrem Artikel umgehen soll – fast wirkt er wie Satire, so als habe ein Rechter sein Bestes getan, um eine weltfremde „No Border“-Träumerei zu karikieren. Aber er ist tatsächlich ein perfektes Beispiel für den tragischen Unernst, den gerade viele Progressive in der Flüchtlingsdebatte oft an den Tag legen: „Utopien formulieren und denken-sein-lassen“, so könnte man es beschreiben.

Der Nationalstaast sei obsolet, das ist Guérots Ausgangspunkt. „Jeder Mensch muss [...] in Zukunft das Recht haben, nationale Grenzen zu durchwandern und sich dort niederlassen können, wo er will“, das findet sie, denn das sei nicht nur praktisch, sondern auch gerecht. Ebenso wie viele Radikallibertäre glaubt sie dabei, dass ein Zerfall des Nationalstaates gesunderweise zur ethnischen Segregation führen würde. Aber anstatt das zu beklagen, preist sie es als Weg zu einer auf Toleranz und dem Respekt für „Otherness“ basierenden, friedlichen Weltgemeinschaft und als Alternative zum unangenehmen Integrationszwang. Es gehe doch ganz einfach: „Wir stressen uns nicht mit Integration.“

Man hat das Gefühl einem weltfremden, jeder Substanz beraubten Liberalismus gegenüberzustehen, der bis zur letzten, absurden Konsequenz getrieben wurde: Hält sich der Staat zurück, so die Prämisse, und lässt alle einfach ihr eigenes Ding machen, ergibt sich von allein die wuselnde, bunte, harmonische Weltrepublik - „ein kreatives Netz von Vielfalt.“ Das hat mit der wirklichen Welt sehr wenig zu tun, viel aber mit der Lebenswelt eines europäischen Großstadt-Yuppies, für den fremde Kulturen und fremde Menschen vor allem eines bedeuten: mehr Abwechslung bei den Restaurants. So stellt sich Guérot tatsächlich die Verschmelzung der Kulturen im Europa ohne Grenzen vor, wie eine Art Gentrifizierungskampagne, die Eroberung Neuköllns durch die Hipster: „Die Bewohner der alteingesessenen Städte werden neugierig. Die Neuankömmlinge haben anderes, interessantes Essen, das eine oder andere unbekannte Gewürz. Künstler kommen, um zu schauen, zu malen und zu dichten. Es entstehen hippe Cafés. Studenten, die billigen Wohnraum suchen, werden ihre WGs in Neu-Damaskus einrichten.“ Und dann: Völkerfreundschaft. 

Das ist alles so trostlos provinziell, so völlig ignorant gegenüber den Lebenswirklichkeiten auch der Flüchtlinge, für die Guérot ja eine Lanze zu brechen meint, dass man es kaum glauben kann. Geradezu sprachlos macht etwa ihre Verherrlichung von Flüchtlingscamps als herzerwärmende Erfolgsstory: 
„Stadtplaner, die sich mit Flüchtlingscamps beschäftigen und diese erforscht haben, berichten, dass aus Flüchtlingscamps nach kurzer Zeit Städte werden, wenn man die Flüchtlinge nur allein lässt. Der Städtebau scheint in der Natur des Menschen zu liegen. Im Libanon wurden in den Millionencamps schon nach wenigen Wochen die sorgfältig rechteckig aufgestellten UNHCR-Container umgestellt und zurechtgerückt. Es entstanden große Verkehrsachsen und kleine Nebenstraßen – die Hauptstraße in einem libanesischen Flüchtlingscamp zum Beispiel wurde Champs Elysée getauft. Aus dem Nichts entstand Handel, entstanden kleine Boutiquen, wurde Schrottmaterial von gewieften Tüftlern und Bastlern zu Mopeds umgebaut; auf einmal gab es kleine Theater oder Tanzfeste. Es dauert, so sagen Experten, keine sechs Monate, dann wird aus einem Flüchtlingscamp eine Stadt.“
Ja, und wenn man dann noch sechs Monate wartet, dann ist es ein Ghetto. Und dann ein Slum. Und schließlich, nach fünfzig Jahren Freiheit von staatlicher Bevormundung... ist es immer noch ein Slum. Aber sicher schön „bunt“ und mit schönen „kleinen Boutiquen“ und so nett und kreativ wie die Urban Gardening-Parzellen auf dem Tempelhofer Feld.

Das ist ein narzistischer Diskurs der schönen Seelen. Eine Diskussion, die gar nicht an politischen Lösungen interessiert ist, und dem im Grunde das eigene Befinden wichtiger ist, als die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen oder Veränderungen zu bewirken. Es ist eine Kapitulation vor der Wirklichkeit.

So etwas schreibt man also beim European Democracy Lab. Und so etwas steht in Le Monde Diplomatique und der Taz. Gleichzeitig treffen sich die Häupter der EU-Staaten, ohne eine konstruktive solidarische Lösung zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zu finden, und es regt sich kein nennenswerter Protest. Es wunder nicht einmal.

Gibt es zwischen diesen zwei Dingen vielleicht einen Zusammenhang?

European Democracy Lab ist: „a young, cross-generational, inter-disciplinary think tank working on new ideas for the future of European politics, its economy, and a our shared society“ [sic]


Dienstag, 16. Februar 2016

Vortrag über "Fluchtursachen" von Oliver Piecha

Eine sehr schonungslose Zusammenfassung der Situation in Syrien. Sehr bitter, aber wirklich empfehlenswert. Der Vortragende erklärt zum Schluss auch anschaulich, warum die Zahl der Flüchtlinge nach Europa in den nächsten Jahren noch zunehmen wird: "Die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten & die Ruinen des alten Nahen Ostens - Ein Vortrag von Dr. Piecha".


Edit: Als Kontrapunkt ein internes Memo aus dem State Department von 2012. Es ist eine Nachricht von Robert Ford (damals Botschafter in Syrien) an verschiedene Personen im Außenministerium, in der er eine Einschätzung seines "alten Freundes aus Irak", dem Journalisten Richard Engel, zusammenfast. Engel hatte gerade einige Zeit mit den Rebellen der Freien Syrischen Armee verbracht, und sich offenbar von deren damaliger Siegesgewissheit anstecken lassen. Selbst der Schluss des Memos, als recht beiläufig von den zu erwartenden Massakern die Rede ist, sollte das Regime fallen, klingt aus heutiger Perspektive gefährlich naiv:
He anticipates there will be retaliation against Alawis. Sooner the fighting ends, the fewer Alawis killed in revenge. (note: experienced journalist Nir Rosen says same thing.) Engel speculated that there could be demands to each Alawi community to turn over particular hated individuals and if those communities hesitate, massacres would ensue.
• FSA not so hostile to Christians — Engels speculated they would not suffer retaliation like Alawis.

Engel thought the regime failing fast — wasn't sure it would last more than a couple more months.
Hier kann man das Dokument im Original nachlesen: https://foia.state.gov/searchapp/DOCUMENTS/HRCEmail_Feb13thWeb/08638FEB13/DOC_0C05796616/C05796616.pdf

Samstag, 6. Februar 2016

Die andere Seite des Vietnamkrieges

Immer noch und wohl für alle Ewigkeit ist unsere Wahrnehmung des Vietnamkrieges von der amerikanischen Perspektive bestimmt, genauer gesagt: von einigen Hollywood-Filmen. Diese beeindruckenden Bilder entstanden auf der Seite der Gewinner: Another Vietnam.


Montag, 1. Februar 2016

Armin Nassehi und Götz Kubitschek im Gespräch

Edit: In einer besseren, weil überarbeiteten und vor allem lektorierten Fassung ist dieser Text bei le-bohèmien nachzulesen.

Die Krautreporter haben einen etwas älteren Briefwechsel zwischen dem Soziologen Armin Nassehi und Götz Kubitschek veröffentlicht. Dafür bin ich sehr dankbar, denn ebenso wie Nassehi glaube ich auch, dass es keinen Grund gibt, Positionen, wie sie von Kubitschek und seinem Kreis vertreten werden, grundsätzlich vom Diskurs auszuschließen. Wer behauptet, diese Ansichten seien objektiv oder prinzipiell unzulässig (wg. Feindschaft gegen demokratische Grundordnung und so), der will eigentlich nur eine missliebige politische Position bekämpfen. Das ist legitim, und verstehen kann ich es auch, aber letzlich redlich ist es nicht. Zwar ist es sicher übertrieben, wie Gauland das vor kurzem bei "Hart aber Fair" getan hat, die Sezession einfach nur "konservativ" zu nennen, "„mit zum Teil sehr interessanten Artikeln über Heidegger und Sartre und so weiter." Das ist verharmlosend. Aber ebenso falsch ist es nun einmal, extreme Ansichten automatisch aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Linksextreme liest man ja auch (und gerne), denn selbst wenn man deren Positionen nicht teilt, haben sie oft etwas interessantes zu sagen. Und überhaupt, wenn dieses sterbenslangweilige Land namens Bundesrepublik eines nicht braucht, dann ist es mehr Harmlosigkeit in der öffentlichen Debatte.

Die Sezession ist radikal und kompromisslos rechts, also rechtsradikal. Diese Bezeichnung scheint mir durchaus angemessen, zumindest angemessener als das vage Label "konservativ". Wie der Name Sezession schon besagt, liegt der Standpunkt, den die Zeitschrift einnimmt, außerhalb aller etablierten politischen und gesellschaftlichen Lager, stellt also unsere Gesellschaft sehr grundlegend in Frage. Bezugspunkte sind dabei neben den nun tatsächlich radikalen Vordenkern der Konservativen Revolution aber auch Autoren wie Arnold Gehlen, die einmal, vor langer, langer Zeit, noch zum konservativen Mainstream der Bundesrepublik gehörten, mittlerweile aber, vielleicht zu Recht, vom Zeitgeist aussortiert worden sind.


Dass die Sezession und ihr Umkreis (auch die Junge Freiheit, etc.) in den letzten Wochen aus dem Nischendasein ausgebrochen ist und immer mehr in die Öffentlichkeit vordringen konnte, war eigentlich auf Jahre überfällig, hatte man doch lange schon daran gearbeitet mit metapolitischer Arbeit den Boden für einen gesellschaftlichen Rechtsruck zu bereiten. Nach Jahren der relativen Isolation und Erfolglosigkeit trägt dieses Projekt jetzt Früchte. Mit der Flüchtlingskrise hat sich quasi ein Einfalltor in immer größere Kreise des konservativen Bürgertums geöffnet, eines das zuvor von Sarrazin, Sloterdijk, eurokritischen Ökonomen, etc. mühsam Stück für Stück aufgestemmt worden war. Alles, was sich in der AfD um "Erfurter Resolution" und "Patriotische Plattform" gruppiert (und das eigentliche Machtzentrum in der Partei bildet), ist ideologisch eindeutig von Kubitschek&Co. geprägt. Einer Auseinandersetzung kann man also nicht länger aus dem Weg gehen. 

Wobei sich hier auch wieder ein Hoffnungsschimmer abzeichnet: Es wird ja oft argumentiert, dass die AfD ein spezifisches gesellschaftliches Millieu repräsentiert, dass sich von der CDU nicht mehr vertreten fühlt und deshalb auf Dauer eine neue Partei etablieren wird (etwa hier im Cicero). Ich bin nicht davon überzeugt, dass es so eine Repräsentationslücke tatsächlich gibt. Ich glaube vielmehr, das eine solche Lücke von Konservativen selbst eigentlich erst herbeigeschrieben, fast beschworen wird. Ohne Euro- oder Flüchtlingskrise würden wir diese Diskussion gar nicht führen. Wenn (oder falls) das durch diese Krisen geschaffene Protestwählerpotential verschwindet, wird die AfD auf die 3%, die sie im Sommer hatte, zurückfallen, und auch die Sezession wird wieder in der Isolation verschwinden. Diese Isolation hat nämlich nicht nur mit der aggressiven Marginalisierungstaktik des politschen Gegners zu tun, sondern ist objektiv darin begründet, dass hier genuin extreme Ansichten vertreten werden, im Sinne von: sie werden nur von einem Bruchteil der Gesellschaft geteilt, geschweige denn überhaupt verstanden (nicht weil die Menschen dumm sind, sondern weil ihnen derart rechte Gedanken so unvertraut sind, so fremd.) Käme es darauf an, wirklich darüber abzustimmen, ob man in einer Gesellschaft leben will, wie sie etwa die AfD herstellen will, dann würden es sich die meisten, die sie heute als "Fundamentalopposition" unterstützen, wohl doch noch einmal überlegen. Vor allem die gesellschafts- und sozialpolitischen Pläne der AfD sind vielen Menschen kaum bewusst - und das nützt deren Wahlergebnissen ungemein.

Es lohnt sich aber trotzdem, den Briefwechsel zu lesen, um einen unmittelbaren Eindruck davon zu bekommen, aus welcher Quelle sich viele der rechten Ideen, die gerade in die Öffentlichkeit drängen, eigentlich speisen. Wer davon noch nicht genug bekommt und einen richtigen Innenblick in die Szene gewinnen will, der sollte dieses interessante Buch lesen. (Wie man sieht, wird es von Amazon nicht vertrieben - das ist noch einmal so eine Sache, die auch für Nicht-Rechte, da stimme ich Nassehi zu, eigentlich inakzeptabel ist.)

Ein Problem habe ich allerdings mit Armin Nassehis Herangehensweise. (Vorsicht: Ich muss zugeben, dass ich nie eines seiner Bücher gelesen habe, außer den Schlagworten "Systemtheorie, hält Links-und-Rechts-Kategorien für überholt und der Komplexität unserer Gesellschaft nicht angemessen" weiß ich wenig über ihn.) Nassehi spricht mit Kubitschek zu sehr, als sei dieser selbst vor allem ein Intellektueller oder gar Soziologe, dem es an einer Analyse und Beschreibung der Gesellschaft gelegen ist. Die eigentliche Dynamik, aber auch die eigentlichen Antriebe von Kubitscheks Denken, und dem rechten Denken allgemein, entgehen ihm auf diese Weise. 

Nassehi schreibt etwa: 
Ich beobachte an meinem eigenen Fach eine Entwicklung, die zu einem in dem angedeuteten Sinne „konservativen“ Handlungsbegriff führt. Konservativ meint, dass wir Handlungen immer mehr in dem Kontext eines nicht reflexiven, gewohnheitsmäßigen, habitualisierten Zusammenhangs entdecken und die intentionale Hervorbringung von Handlungen nur einen kleinen Teil dessen ausmacht, was wir tun. Diese praxistheoretische, auch systemtheoretisch und netzwerktheoretisch ausgerichtete Idee erkennt an, dass soziale Ordnung weder Tabula rasa ist, noch wie auf einer Tabula rasa entworfen werden kann, sondern schon „da“ ist. Das hat erhebliche Konsequenzen, die tatsächlich zu einer eher konservativen Lesart verleiten - am genialsten womöglich von dem sehr linken Denker Pierre Bourdieu begriffen, der empirisch darauf gestoßen ist, wie es um Restriktionen des Handelns steht.
In diesem Sinne als konservativ lässt sich aber höchstens die grobe Grundlage des rechten Denkens beschreiben. Ihren Kern hat man damit noch nicht berührt. Davon bin ich zumindest, ausgehend von  Corey Robins genialem Buch The Reactionary Mind, überzeugt.

Rechte glauben an Hierarchien und an die Ungleichheit der Menschen. Wenn sie von der Stabilität und der Notwendigkeit fester gesellschaftlicher und sozialer Normen und Institutionen sprechen, dann ist damit immer erstens eine hierarchischere Ordnung gemeint, und zweitens eine, die sich dadurch auszeichnet, dass konkreter, fester, und freier Kontrolle und Macht von einigen Menschen über andere Menschen ausgeübt wird. Ob der Staat gegenüber Arbeitslosen, die Justiz gegenüber Kriminellen, der Unternehmer gegenüber Angestellten, der Lehrer gegenüber Schülern, oder der Vater gegenüber Frau und Kind: Immer geht es darum, die Freiheit und Macht "natürlicher" Authoritäten über die zu stärken, die auf Kontrolle und Leitung angewiesen sind. Wenn Konservative davon sprechen, dass Menschen notwendig in Strukturen eingebunden sein müssen und dass es völlige individuelle Freiheit nicht geben kann, dann sind diese Strukturen nicht anonyme, abstrakte "Institutionen": Anders als ein an Luhmann geschulter Soziologe haben Konservative da ganz konkrete Machtverhältnisse vor Augen. Aber weder die Begriffe Hierarchie, Macht, Unterordnung, Kontrolle, Klassenbewusstsein, oder Herrschaft spielen im Briefwechsel eine Rolle.

(Besonders deutlich wird das bei Nassehis Einschätzung des Nationalsozialismus als "eher" linke Bewegung. Akzeptiert man Hierarchie und Authoritarismus als zentrale Fixpunkte rechter Ideologie, wird klar, dass die vom Nationalsozialismus angestrebte Gesellschaft vielmehr ultra-rechts gewesen ist. Der "neue Mensch" sollte ja eben nicht durch Befreiung geschaffen werden, sondern durch Führung, Kampf und Auslese gezüchtet. Das nur nebenbei.)

Noch einmal: Es geht Rechten vor allem darum, klarere und strengere Herrschaftsverhältnisse herzustellen, das ist es, woran sie glauben. Wie ich schon einmal am Beispiel Sarrazin veruscht habe zu belegen, missfällt ihnen an der ausländischen Bevölkerung oft ja nicht einfach nur ihre Anwesenheit. Es ist mehr die Tatsache, dass die ausländische Bevölkerung (die zumindest bei Sarrazin mit der deutschen Unterschicht verschwimmt) nicht der unmittelbaren Kontrolle der deutschen bürgerlichen Gesellschaft untersteht. Überspitzt gesagt: Eine migrantische Bevölkerung, die nicht durch staatsbürgerliche Rechte, ein Klima der Toleranz und Gleichberechtigung, sowie den Sozialstaat geschützt und zu gleichberechtigten, autonomen Subjekten gemacht werden würde, wäre auch für die Rechte akzeptabel. Und wer weiß, vielleicht würde das vorgeschobene Argument der "Fremdheit" schnell an Bedeutung verlieren, wenn man Immigranten so wie in vielen anderen Ländern (Singapur, Saudi-Arabien, etc.) zu einer fast rechtlosen, niedrigen Kaste degradieren würde...
Wenn die AfD praktische Vorschläge zum Umgang mit "Ausländern" macht, dann ist nicht nur von Vertreibung und ethnischer Reinheit die Rede, sondern vielmehr von ganz konkreten, sehr unmittelbaren Herrschafts- und Kontrollmechanismen: Predigen in Moscheen sollen nur auf Deutsch erlaubt sein, um die Überwachung zu erleichtern, Abschiebungen sollen erleichtert werden und als disziplinierendes und strafendes Mittel verwendet werden, es soll mehr Polizei geben, mehr Bewaffnung der Bürger. Und dazu viele symbolische Maßnahmen, die vor allem darauf abzielen, laut und deutlich Dominanz auszustrahlen - etwa der Vorschlag, die Errichtung von Moscheebauten, die auch als solche zu erkennen sind, von der Zustimmung der Anwohner abhängig zu machen.
Wenn die AfD in Sachsen-Anhalt Schullehrpläne oder Programme der öffentlichen Theaterbühnen auf einen "deutschen Kurs" bringen will, dann ist das nicht nur das Bedürfnis nach ethnischer Reinheit, es ist vor allem das Bedürfnis, über gesellschaftliche Bereiche Macht und Kontrolle auszuüben, die im Moment frei und unabhängig sind und nicht der unmittelbaren Kontrolle des konservativen Bürgertums unterliegen. Auch die Ablehnung supra-nationaler Regierungsinstitutionen wie der EU speist sich letztlich aus dem Bedürfnis nach stärkerer eigener Herrschaft und Macht: Eine renationalisierte, oder sogar re-regionalisierte, Politik würde vor allem den Status nationaler und lokaler Eliten stärken, die sich im Moment oft von der goßen Welt und der EU entmachtet fühlen. Mehr Souveränität bedeutet einen Zugewinn an Status und konkreter Macht für diese lokalen Eliten. Wenn die AfD sagt: "Mut zu Deutschland!", dann meint sie "Bürgertum, habe den Mut, dir wieder mehr Kontrolle über Deutschland anzueignen!"

Um es klar zu stellen: Ich glaube nicht, dass jeder einzelne Rechte von dem persönlichen Drang nach Macht und Herrschaft getrieben ist, obwohl das sicher oft die Motivation ist. Aber jeder Rechte glaubt, dass eine Gesellschaft nur funktioniert, wenn es in ihr Hierarchien und Herrschaft gibt, wenn also vielen Menschen ganz konkret Freiheiten und Autonomie genommen werden: den Armen, den Arbeitslosen, den Arbeitern, den Muslimen, den Fremden, den Studenten, den Faulen, den weniger Klugen, den Kindern, den Frauen, den Schülern, den Kulturschaffenden, den Medien, etc. Auch marktradikale Libertäre, die ja eigentlich die "individuelle Freiheit" hoch halten, sind in diesem Sinne  "Rechts": Sie glauben bloß, dass die Disziplinierung, Herrschaft und Hierarchisierung, um die es ihnen eigentlich geht, am wirksamsten und gerechtesten von einer freien Marktwirtschaft vollzogen werden kann.

Kubitschek macht sehr deutlich, warum er gerade für schwächere Menschen härtere Lebensumstände für begrüßenswert hält: Nur eine unabgefederte, unsichere, härtere Existenz könne sie zu einer würdigen Lebensführung verleiten - die Abfederung von Druck führt zu Dekadenz:
"Wir leben indes in einer Zeit, in der jedes Schicksal abgefedert, jeder Lebensirrtum ausgebügelt, der Schrott jedes Experiments weggeräumt wird – wo sollte da eine konservative Handlungslehre herkommen, die tiefer reichte und tiefer wirkte als irgendein Lack?"
Die praktische politische Dimension dieses Gedankens, nämlich seine Anschlussfähigkeit für ein Bürgertum, dass sich größere Kontrolle und weniger (staatlich erzwungene) Solidarität mit den Schwächeren und Anderen wünscht, wird von Nassehi übersehen, der Kubitschek vor allem mit den Begriffen Homogenität und Komplexität zu greifen versucht. Aber um gesellschaftliche Homogenität allein geht es den Rechten nicht. Die Vorstellung unauflöslich fremder, ja prinzipiell feindlicher kultureller Identitäten ist vielmehr Bedingung des Gedankens der Ungleichheit, und dieser wiederum ist der notwendige, grundlegende Schritt zur Schärfung von Hierarchien. Rechten geht es um den Angriff auf die Freiheit der Vielen, zugunsten der Freiheit und der Macht der Wenigen.In diesem Sinne ist die AfD "freiheitlich": Sie möchte es den natürlichen Eliten - als die sich das konservative, männliche Bürgertum versteht ("Leistungsträger") - ermöglichen, endlich wieder den angemessenen gesellschaftlichen Rang zu beanspruchen und sich die Freiheit zu nehmen, direkter und mit besserem Gewissen Macht über den Rest der Gesellschaft auszuüben.

Kubitschek, et. al. sagen gerne, dass sie im preußischen Sinne "dienen" möchten, dass ihnen die Erfüllung dieses Wunsches in der aktuellen, dekadenten Gesellschaft allerdings unmöglich ist. Dieser Gedankde des "Dienens" besitzt für sie einen unglaublichen Pathos und ist offensichtlich eine ehrliche Sehnsucht. Aber auch hier geht es um Hierarchien: Nur in eine hierarchische, strengere Ordnung könnten sie sich mit gutem Gewissen einfügen, nur in dieser würden sie sich aufgenommen und wert geschätzt fühlen - auch wenn sie selbst nicht einmal unbedingt an der Spitze dieser Ordnung stehen möchten. Mit anderen Worten: Wenn irgendwann wieder die Berufe des akademischen Bürgertums (Leher, Offiziere, Ärzte, Unternehmer, Anwälte, Professoren, etc.) den gleichen Status, die gleiche gesellschaftliche Authorität besitzen, wie sie das in den guten alten Zeiten, im Kaiserreich oder sogar noch in den Anfangszeiten der Bundesrepublik taten, dann müssen vielleicht auch die Rechtsintellektuellen nicht mehr traurig sein und können ihre Zeitschriften einstellen. Bis dahin aber haben sie unserer Gesellschaft den Kampf erklärt.