Ich mag es, wenn Leute die Wahrheit sagen. Das tun sie viel zu selten, vor allem über sich selbst. Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechten Schmierenblattes COMPACT, ist einer, der sich besonders ungern in die Karten schauen lässt. Umso schöner, dass er kürzlich sich zumindest ein wenig selbst entlarvt hat:
Die Leipziger linke Szene hat so etwas wie eine libidinöse Hass-Liebe zu mir entwickelt. Anders ist kaum zu erklären, warum sich ihr hübsch gemachtes Zentralorgan, das Stadtmagazin “Kreuzer”, in ihrer April-Ausgabe gleich auf geschlagenen zehn Seiten mit mir und COMPACT beschäftigt und mich sogar zum Coverboy macht. Offensichtlich haben die verkifft-versifften Studi-Loser begriffen, wer ihnen wirklich gefährlich werden kann…
So schrieb er auf seinem Blog. Die fragliche Titelgeschichte habe ich geschrieben, mit etwas Hilfe und tatkräftiger Unterstützung des Chefredakteurs Andreas Raabe. Elsässers Reaktion ist erstens entlarvend, weil er endlich mal richtig über die Linken pöbelt, die ihn ständig kritisieren, ("verkifft-versifften Studi-Loser!" - das kommt richtig von Herzen, das spürt man! Das gefällt mir!), aber vor allem, weil er unter Beweis stellt, dass er wirklich alles für narzistische Selbstvermarktung verwerten kann. In dem langen Artikel lege ich ausführlich dar, dass Elsässer ein opportunistischer, geltungssüchtiger, manipulativer Demagoge ist, der womöglich das meiste von dem, was er von sich gibt, selbst nicht glaubt. Seine Zeitschrift ist zwar gut gemacht, aber intellektuell ... dünn, enthält entweder absichtlich verfälschte oder schlampig recherchierte Fakten, und spielt auf eine schleimige Weise, die man wirklich nur professionell nennen kann, mit antisemitischen Ressentiments und dem puren Fremdenhass. Es ist das traurige Ende einer langen, verkorksten Entwicklung, und es ist einfach das Letzte. Anstatt sich aber mit irgendwelchen der Vorwürfe auseinander zusetzen, zitiert Elsässer einfach ein paar Sätze, welche seinen wachsenden Erfolg im Fahrwasser von PEGIDA und AfD beschreiben und kommt zu folgendem Ergebnis:
Aber die Frage ist doch, warum investiert Ihr -zig Stunden Recherche und Schreibtischarbeit in die Beschäftigung mit meiner Person? Merkt Ihr vielleicht, dass Euch die Felle davonschwimmen? Habt Ihr Muffe, dass auch in Eurem eigenen Klientel mittlerweile das Unbehagen über die Asylflut wächst – und dass die Nachdenklichen bei Euch zu COMPACT finden könnten? Zwischen den Zeilen liest man jedenfalls, wie verdammt neidisch Ihr auf COMPACT und mich seid.
So kann man auch stolz auf seinen Erfolg sein. Der Front National ist auch erfolgreich - na und? Die Wahrheit ist vielmehr, dass Elsässer, was immer er sonst politisch an Verheerungen anrichten mag, auch einfach eine unfassbar groteske Persönlichkeit ist, über die es Spaß macht zu lesen - und zu schreiben. Dass er mit seinem Blödsinn auch noch so gut zu unseren grotesken Zeiten passt, und vieles von dem, was im Moment falsch läuft in diesem Land, wenn nicht verkörpert, dann doch mit aller Kraft befördert, kommt noch hinzu. Elsässer ist unterhaltsam, das ist ja auch sein Kapital, und er ist im Einklang mit zumindest den unappetitlicheren Aspekten des Zeitgeistes. Wenn er nicht so eine (bescheuerte, größenwahnsinnige und ressentimentgeladene) Show abzöge, würden sich ja auch seine Fans nicht für ihn interessieren.
Besonders amüsant ist übrigens, dass die Kommentare unter Elsässers Posting schnurstracks auf ein ganz besonderes Thema zumarschieren und das erstmal ausgiebig besprechen. Irgendwann fragt einer der Kommentatoren:
Wie sind wir eigentlich von den Anti-Elsässer-Kampagnen auf die Juden gekommen?
Gibt, soviel ich weiß, auch viele Arier, die die Völkervernichtung postulieren und fabrizieren.Das kann man sich doch echt nicht ausdenken.
Ich bin sehr dagegen, sich auf überhebliche Weise hämisch über das, wie man so oft hört, ungebildete, dumme Fußvolk der Ausländerfeindlichkeit lustig zu machen. Diese Art Verächtlichkeit ueber Menschen, die ja doch nichts zu sagen haben, die Welt nicht verstehen und oft echte eigene Probleme haben, hilft ja niemandem. Nicht aber bei Elsässer und seinen absurden Spießgesellen. Da ist jeder Spott erlaubt. Vor allem weil es, da bin ich mir sicher, wirklich weh tut, denn sie wissen ja selbst, wie arm ihre ganze Sache eigentlich ist.
Und wer sich über echte Probleme Gedanke machen will, dem empfehle ich diesen kurzen Text von Bersarin, über die Linke, die den Kontakt zur Bevölkerung verloren hat. Stimmt sehr nachdenklich, gerade hier in Ostdeutschland:
Hier schreibt ein gewisser Johannes Simon über ein ähnliches Thema:Nein, jene, die „Refugees welcome“ rufen, sind in der Regel nicht die, welche am Ende mit den Geflüchteten um die raren Arbeitsplätze werden raufen müssen: Die wenigsten Flüchtlinge arbeiten als Lehrer, Ärzte, Journalisten oder im Medienbereich (nicht einmal als Kabelträger), sie werden nicht in Kreativberufen reüssieren und die wenigsten werden als Künstler wirken oder den sauer erstrampelten Kolumnenplatz von M. Stokowski übernehmen, sondern der Niedriglohnbereich, die Friseurin, die Aushilfe, der Zeitungsausträger, der Lagerarbeiter, sofern es den noch gibt, wird das Tätigkeitsfeld sein. Für die kapitalistische Gesellschaft steht die Konkurrenz als tragendes Prinzip. Aus dem Heer einer industriellen oder einfach nur zerlumpten Reservearmee sich den Hilfsarbeiter oder die Soldaten für kommende Kriege aussuchen zu können. Es ist die Gesellschaft selbst und wie sie eingerichtet ist, die exakt diese Widersprüche produziert und andauernd reproduziert. Solange es so bleibt, bleibt es, wie es ist. Wer vom Kapitalismus nicht reden mag, sollte von den Flüchtlingen schweigen.
Die Gleichsetzung von rechtem und „linken Nationalismus“ ergibt sich aus einer ideologischen Wahrnehmung des politischen Feldes, das nur einen liberalen Mainstream kennt und alle Abweichungen als dessen Gegenteil wahrnimmt. Die Kehrseite der vorgeblichen Einheit von multikultureller Liberalität und wirtschaftsliberaler Globalisierung ist dann die Gleichsetzung sozialdemokratischer Arbeitsmarktreformen mit reaktionärem Nationalismus.
Diese Einheit wird unter dem Begriff des „Populismus“ zusammengefasst. Gemeint ist eine verantwortungslose Nachlässigkeit politischer Eliten im Angesicht der niederen Impulse jener Teile der Bevölkerung, die sich, erschöpft vor zuviel Freiheit und Modernisierung, in die Nestwärme der nationalen Heimat und des Sozialstaats zurückziehen wollen. Menschen, die weder die Disziplin noch die federleichte kulturelle Souveränit besitzen, um sich in der Zukunft des globalen Wettbewerbs und der toleranten Multikulturalität zurechtzufinden.
[...]
Es ist das tiefsitzende Misstrauen gegenüber dem frei ausgedrückten Willen der Massen – der Demokratie – das humanitär gesinnte Liberale, Neoliberale Eliten und autoritäre Neokonservative heute eint.
Und dann ist es auch irgendwann egal, ob das, wie im Falle der Konservativen einem tiefsitzenden Instinkt entspricht oder, wie zum Teil im Falle der Linksliberalen, das Resultat von jahrzehntelanger politischer Resignation ist.
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