Bomber Harris, Marshall
der Royal Air Force, ist ein Held der Antifa. Immer wieder wird ihm
anlässliche vieler Weltkriegsjubiläen rituell für seine gnadenlose
Bombardierung der deutschen Städte gedankt. Das gefällt mir. Es ist
schön geschmacklos und herausfordernd. Obwohl... heute ist es eben
sehr schwierig noch geschmacklos zu sein, das wirkt oft bloß
gewollt, und es trifft – so wie die Antifa-Provokation ja auch,
wenn man ehrlich ist – eigentlich niemanden... vor 50 Jahren
vielleicht, da wäre das ein krasser Spruch gewesen.
Wie dem auch sei, der
Name Harris war mir bekannt genug, dass ich aufhorchte, als er mir in
einem anderen Kontext begegnete, nämlich in einer Beschreibung des
britischen Kolonialkrieges im Irak, als eine widerspenstige arabische
Bevölkerung durch Bombardement und Zerstörung ihrer Dörfer
'befriedet' werden sollte. „Dem
Irakkrieg doch nicht etwa?“, könnte man da fragen, sich über das
lange Leben des Marshalls wundernd. So ist es aber nicht: Tatsächlich
hatte sich das empire schon
einmal in den 20er Jahren in der misslichen Lage befunden, den Irak
befreit zu haben, dabei aber auf den erbitterten Widerstand der
Bevölkerung zu stoßen. Unter Einsatz großen Heldenmutes
verteidigten deshalb Winston Churchill und eben auch Bomber Harris
die Freiheit des irakischen Volkes mit Brandbomben und Giftgas –
ein besonders von Churchill geliebtes Mittel gegen die „recalcitrant
natives.“
Wie
verblüffend genau sich Parallelen zwischen diesem altmodischen
kolonialen Abenteuer und seiner kürzlichen Neuauflage ziehen lassen,
beschreibt der britische Journalist Robert Fisk:
„The same false promises of a welcoming populace were made to the British and Americans, the same grand rhetoric about a new and democratic Iraq, the same explosive rebellion among Iraqis – in the very same towns and cities – the identical 'Council of Ministers' and the very same collapse of the occupation power, all followed historical precedent. Unable to crush the insurgency, the Americans turned to the use of promisuous air assault, just as the British did before them: the destruction of homes in 'dissident' villages, the bombing of mosques where weapons were allegedly concealed, the slaughter by air strike of 'terrorists' near the Syrian border – who turned out to be members of a wedding party. Much the same policy of air bombing was adopted in the already abandoned democracy of post-2001 Afghanistan.“
Robert
Fisks gewaltiges, über 1000 Seiten langes Fazit aus mehreren
Jahrzehnten, die er im Nahen Osten als Reporter verbrachte, The
Great War for Civilization, ist
ein eindrucksvolles Panorama der unmittelbaren Vorgeschichte der
heutigen Tragödie. Fisk schildert nicht nur die Konflikte, die er
selbst als Reporter beobachtet hat, sondern schafft es, unter
Bezugnahme auf seine eigene Familiengeschichte, einen großen Bogen
von den Wurzeln der heutigen Kriege nach dem ersten Weltkrieg zu
ziehen. Um wirklich zu verstehen, wie es zur aktuellen Situation
kommen konnte, hilft es aber nun mal nichts, man muss sich auch dem
Erbe des Kolonialismus stellen. Wenn man Fisk liest, wird einem klar,
wie mittelmäßig etwa Peter Scholl-Latour vor allem darin war,
historische Zusammenhänge zu schildern.
Eine
Grundkonstante dieser Geschichte ist dabei der westliche Zynismus
angesichts der Mittel, die Recht sind, um eine minderwertige,
aufständische Bevölkerung im Griff zu behalten: Angefangen von
Bomber Harris, der angesichts des Palästinenseraufstandes von 1936
empfahl, „one 250 lb. Or 500 lb. Bomb in each village that speaks
out of turn“, über die spätere Unterstützung von Saddam Husseins
Giftgasmord am iranischen Feind und der eigenen Bevölkerung, bis zum
Drohnenkrieg unserer Tage zieht sich eine blutige Spur.
Ich
verstehe Anti-Deutsche nicht, und sie interessieren mich auch nicht
besonders. Ich habe die Vermutung, dass sie aus einem deutschen
Provinzialismus heraus einfach kein echtes Verständnis des
Kolonialismus und des Imperialismus haben, weshalb sie nicht nur
jemanden wie Harris zu einer Ikone wählen können, sondern sich auch
sonst gerne mit den Verteidigern der westlichen Wertegemeinschaft
gemein machen. Gerade als Deutscher mag es unangenehm sein,
vor allem die Kriegspolitik des Westens (und auch Israels)
anzugreifen – aber nur weil eine Gesellschaft fortschrittlicher
ist, als die ihrer Feinde, heißt nun mal nicht, dass sie keine
Verbrechen begehen kann. Vor allem wenn "Fortschritt" vor allem Präzisionswaffen bedeutet.
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