Communism

Communism

Montag, 1. Juni 2015

Bomber Harris

Bomber Harris, Marshall der Royal Air Force, ist ein Held der Antifa. Immer wieder wird ihm anlässliche vieler Weltkriegsjubiläen rituell für seine gnadenlose Bombardierung der deutschen Städte gedankt. Das gefällt mir. Es ist schön geschmacklos und herausfordernd. Obwohl... heute ist es eben sehr schwierig noch geschmacklos zu sein, das wirkt oft bloß gewollt, und es trifft – so wie die Antifa-Provokation ja auch, wenn man ehrlich ist – eigentlich niemanden... vor 50 Jahren vielleicht, da wäre das ein krasser Spruch gewesen.

Wie dem auch sei, der Name Harris war mir bekannt genug, dass ich aufhorchte, als er mir in einem anderen Kontext begegnete, nämlich in einer Beschreibung des britischen Kolonialkrieges im Irak, als eine widerspenstige arabische Bevölkerung durch Bombardement und Zerstörung ihrer Dörfer 'befriedet' werden sollte. „Dem Irakkrieg doch nicht etwa?“, könnte man da fragen, sich über das lange Leben des Marshalls wundernd. So ist es aber nicht: Tatsächlich hatte sich das empire schon einmal in den 20er Jahren in der misslichen Lage befunden, den Irak befreit zu haben, dabei aber auf den erbitterten Widerstand der Bevölkerung zu stoßen. Unter Einsatz großen Heldenmutes verteidigten deshalb Winston Churchill und eben auch Bomber Harris die Freiheit des irakischen Volkes mit Brandbomben und Giftgas – ein besonders von Churchill geliebtes Mittel gegen die „recalcitrant natives.“

Wie verblüffend genau sich Parallelen zwischen diesem altmodischen kolonialen Abenteuer und seiner kürzlichen Neuauflage ziehen lassen, beschreibt der britische Journalist Robert Fisk:

„The same false promises of a welcoming populace were made to the British and Americans, the same grand rhetoric about a new and democratic Iraq, the same explosive rebellion among Iraqis – in the very same towns and cities – the identical 'Council of Ministers' and the very same collapse of the occupation power, all followed historical precedent. Unable to crush the insurgency, the Americans turned to the use of promisuous air assault, just as the British did before them: the destruction of homes in 'dissident' villages, the bombing of mosques where weapons were allegedly concealed, the slaughter by air strike of 'terrorists' near the Syrian border – who turned out to be members of a wedding party. Much the same policy of air bombing was adopted in the already abandoned democracy of post-2001 Afghanistan.“

Robert Fisks gewaltiges, über 1000 Seiten langes Fazit aus mehreren Jahrzehnten, die er im Nahen Osten als Reporter verbrachte, The Great War for Civilization, ist ein eindrucksvolles Panorama der unmittelbaren Vorgeschichte der heutigen Tragödie. Fisk schildert nicht nur die Konflikte, die er selbst als Reporter beobachtet hat, sondern schafft es, unter Bezugnahme auf seine eigene Familiengeschichte, einen großen Bogen von den Wurzeln der heutigen Kriege nach dem ersten Weltkrieg zu ziehen. Um wirklich zu verstehen, wie es zur aktuellen Situation kommen konnte, hilft es aber nun mal nichts, man muss sich auch dem Erbe des Kolonialismus stellen. Wenn man Fisk liest, wird einem klar, wie mittelmäßig etwa Peter Scholl-Latour vor allem darin war, historische Zusammenhänge zu schildern.

Eine Grundkonstante dieser Geschichte ist dabei der westliche Zynismus angesichts der Mittel, die Recht sind, um eine minderwertige, aufständische Bevölkerung im Griff zu behalten: Angefangen von Bomber Harris, der angesichts des Palästinenseraufstandes von 1936 empfahl, „one 250 lb. Or 500 lb. Bomb in each village that speaks out of turn“, über die spätere Unterstützung von Saddam Husseins Giftgasmord am iranischen Feind und der eigenen Bevölkerung, bis zum Drohnenkrieg unserer Tage zieht sich eine blutige Spur.

Ich verstehe Anti-Deutsche nicht, und sie interessieren mich auch nicht besonders. Ich habe die Vermutung, dass sie aus einem deutschen Provinzialismus heraus einfach kein echtes Verständnis des Kolonialismus und des Imperialismus haben, weshalb sie nicht nur jemanden wie Harris zu einer Ikone wählen können, sondern sich auch sonst gerne mit den Verteidigern der westlichen Wertegemeinschaft gemein machen. Gerade als Deutscher mag es unangenehm sein, vor allem die Kriegspolitik des Westens (und auch Israels) anzugreifen – aber nur weil eine Gesellschaft fortschrittlicher ist, als die ihrer Feinde, heißt nun mal nicht, dass sie keine Verbrechen begehen kann. Vor allem wenn "Fortschritt" vor allem Präzisionswaffen bedeutet.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen