Ich arbeite gerade an einem neuen Text über die Neue Rechte, bin aber zu sehr mit anderen Sachen beschäftigt, weshalb es damit noch etwas dauern wird. Ich möchte jetzt nur kurz eine aktuelle Angelegenheit kommentieren.
Von Seiten der Antifa wird immer wieder, und scheinbar sehr erfolgreich, versucht, Veranstaltungen der "Neuen Rechten" zu verhindern. Wie es auch bei rechtsextremen Gruppen wie etwa der NPD üblich ist, wird dann beispielsweise Druck auf Veranstalter, etc. ausgeübt, damit diese ihre Räumlichkeiten den Rechten nicht zur Verfügung stellen. Oft weichen diese deshalb auf Häuser von Burschenschaften aus, wobei selbst dort nur noch sehr wenige bereit sind, sich auf diese Weise mit den Zielen der Rechten zu identifizieren.
Es ist - ganz objektiv betrachtet - eine sehr effektive politische Strategie: Gewisse Ansichten werden so daran gehindert, als "normal", "bürgerlich", oder legitim in Erscheinung zu treten. Es umgibt sie dadurch immer der Nimbus des Radikalen, staats- oder menschenfeindlichen, der eine breitere Wirkung unmöglich macht. Vor allem etablierte Personen, die solchen extremeren Positionen mit ihrem Namen Legitimation verleihen könnten, scheuen in der Konsequenz davor zurück, mit ihnen in Verbindung gebracht zu werden. Oft geht es der Antifa dementsprechend auch bloß um Aufklärung und Protest, was ja völlig normale Mittel der politischen Arbeit sind. Und sehr oft ist das Gejaule der Rechten über "politisch korrekte" Zensur auch einfach nur heuchlerisch.
Jetzt meldet die Zeitschrift "Sezession" allerdings, dass ihr aus "politischen Gründen" das Steuerbüro und die Bank gekündigt habe:
Wer ein bißchen aufmerksamer liest und las, weiß längst, daß wir nicht deshalb keine Veranstaltungsräume mehr finden in Berlin und in anderen größeren Städten, weil uns die Wirte nicht vermieten wollten: Sie ziehen ihre Zusagen zurück, weil ihnen die Verwüstung ihres Lokals oder wenigstens eine Denunziationswelle droht, und natürlich finden das die ganzen Zeilenhuren und Sekundärpublizisten, die ihre Existenz unserer Originalität verdanken, gar nicht bedenkenswert, sondern schon in Ordnung so. Ist ja ein freies Land, kann ja jeder Wirt selbst entscheiden, wem er ein Plätzchen gewährt.Diesmal schneidet es aber tiefer ein: Uns ist aus politischen Gründen das Steuerbüro abhanden gekommen, und der Sezession das Konto wieder (aber keine Sorge: Überweisungen kommen schon noch an, wir haben eine Frist, und mein Verlag ist nicht betroffen!).
Vor zwei Jahren schon hatte Amazon einige Bücher des Antaios-Verlages (der an die "Sezession" angeschlossen ist) aus dem Sortiment genommen, hatte sie also nicht mehr für den Verlag vertrieben. Da Amazon im Buchhandel quasi über ein Monopol verfügt, war das für den kleinen Verlag keine Trivialität, und auch hier hatte es scheinbar Druck auf Amazon gegeben. Die FAZ berichtete als einzige Mainstream-Zeitung darüber.
Ich bin nicht neutral in dieser Frage. In der Sache stehe ich bei der Antifa, wenn ich auch keineswegs ein Aktivist bin oder sein will. Ich habe auch kein Problem mit aggressiven politischen Manövern, die sich am Rande der Legalität bewegen - der Tortenwurf gegen Beatrix von Storch zum Beispiel war vielleicht nicht die klügste Aktion, aber prinzipiell ist so etwas in Ordnung. Auch ist die "Sezession" seit spätestens einem Jahr immer mehr aktivistisch in Erscheinung getreten, und muss also damit rechnen, dass andere Maßstäbe angelegt werden als an ein intellektuelles Nischenmagazin.
Ich bin außerdem der Ansicht, dass einige Ansichten tatsächlich keinen Platz in der Öffentlichkeit haben dürfen, und dass man diese Festlegung im Zweifelsfall nicht dem Staat und den Gesetzen überlassen darf, sondern politisch erkämpfen muss. Auch wenn man dabei das Akzeptable vom Inakzeptablem, etwa was Antisemitismus oder Rassissmus betrifft, durchaus nach objektiven Kriterien unterscheiden kann, sollte man nicht leugnen, dass Entscheidungen solcher Art immer eine politische Stoßrichtung haben. Diese Selbstkontrolle der Öffentlichkeit ist eine Gradwanderung, aber eine notwendige.
Mich stoßen aber solche Zensuraktionen gegen politische Gegner, so es nicht wirkliche Verbrecher sind, doch eher ab. Das ist einmal Geschmackssache, denn es wirkt eben doch irgendwie feige und denunziatorisch. Auch verbirgt sich dahinter eine Denkweise, die auch in politisch weniger entscheidenden Fragen zum rigiden Moralismus, und schließlich zu einem langweiligen Konformismus führen kann. Ich bin sehr dafür, Menschen in aller Härte und in aller Öffentlichkeit anzugehen, wenn man denkt, sie haben das verdient. Aber hinter den Kulissen zu arbeiten, um ihnen die Möglichkeiten zur Arbeit zu nehmen ist ja kein politischer Angriff, sondern ein Vernichtungsversuch, eine kalkulierte Gemeinheit, die überhaupt keine öffentliche Wirkung hat und niemanden überzeugen wird. Es geht weniger um Politik als um einen Richtspruch. Und wer braucht sowas?
Ohne einen hysterischen Vergleich a la "Meinungsdiktatur EUSSR" ziehen zu wollen, erinnert mich das auch an die McCarthy-Ära. Aber in einem sehr präzisen Sinn:
Im allgemeinen haben wir die Vorstellung, politische Verfolgung und Zensur gehe immer von einem Staat aus, der die Grenzen der liberalen Ordnung übertritt und die Freiheitsrechte seiner Bürger verletzt, und so erinnern wir uns auch an die Kommunistenhatz unter Senator McCarthy: Die paranoide Hysterie in der amerikanischen Gesellschaft erlaubte es der Regierung, für einige Jahre mit freier Hand Menschen für ihre politischen Überzeugungen zu verfolgen.
Viele liberale Ideologen nennen deshalb auch den McCarthyismus als Paradebeispiel für einen außer Kontrolle geratenen Staat. Sie argumentieren, dass allein die Freiheit des Marktes noch die Freiheit der zu Unrecht verfolgten garantiert habe. Während die Regierung in ihren eigenen Reihen Säuberungsaktionen durchführen konnte, habe die freie Wirtschaft zumindest Zuflucht geboten und so garantiert, dass keine Existenzen zerstört wurden. Ausgerechnet die pro-kapitalistischen Säuberungen hätten dank des Marktes die politische Freiheit nicht gefährden können - so argumentierte etwa Milton Friedman in seinem 1962 erscheindenen Buch "Capitalism and Freedom". Er schrieb weiter:
One may believe, as I do, that communism would destroy all of our freedoms, one may be opposed to it as firmly and as strongly as possible, and yet, at the same time, also believe that in a free society it is intolerable for a man to be prevented from making voluntary arrangements with others that are mutually attractive because he believes in or is trying to promote communism. His freedom includes his freedom to promote communism. Freedom also, of course, includes the freedom of others not to deal with him under those circumstances.
Das ist allerdings, wie immer bei Libertären, auf gefährliche Weise zu kurz gedacht.
In Wahrheit war der Agent des McCarythismus nämlich nicht primär der Staat, es waren private Unternehmen selbst, die oft aus eigener Initiative, ohne dass man Druck gegen sie ausüben musste, ihre Angestellten auf eine Weise einer Säuberung unterzogen, wie es die Regierung niemals gekonnt hätte. Es war eine zivil organisierte konformistische Hexenjagd. Corey Robin nennt die Zahlen:
We all remember the McCarthy hearings in the Senate, the Rosenbergs, HUAC, and so on. All of these incidents involve the state. But guess how many people ever went to prison for their political beliefs during the McCarthy era? Less than 200 people. In the grand scheme of things, not a lot. Guess how many workers were investigated or subjected to surveillance for their beliefs? One to two out of every five. And while we don’t have exact statistics on how many of those workers were fired, it was somewhere between 10 and 15 thousand.
Die meisten Unterdrückungsmaßnahmen wurden also von Chefs gegenüber ihren Angestellten ausgeübt. Im liberalen System ist allerdings die Macht, die ein Unternehmer über seine Angestellten, oder ein Quasi-Monopolist wie Amazon über seine "Kunden", ausüben kann, verschleiert. Wir hängen stattdessen der Fiktion an, unsere Wirtschschaftsordnung basiere auf Verträgen und Tauschakten, also der freiwilligen Kooperation gleichgestellter Individuuen. Zensur und Unterdrückung, die nicht vom Staat ausgeht, sondern von (konzentrierter) privater Macht, ist für uns unsichtbar.
Die ironische Pointe ist daher, dass nur ein linker Etatismus, der die Rechte von Angestellten und Kunden stärkt und sie den privaten Tyrannen, die über ihr Leben bestimmen, nicht schutzlos ausliefert, kombiniert mit einem echten wirtschaftlicher Pluralismus, verlässlich die Meinungsfreiheit garantieren kann. Die größte Gefahr für unsere Öffentlichkeit besteht in der stillen Furcht derer, die um ihren Job bangen, oder um ihre Aufträge. Kurz: um ihre Karriere. Eine solche Furcht, man könne sich durch bestimmte Positionen unmöglich machen, oder auch einfach nur ignoriert werden weil man nicht so liefert, wie es erwartet wird (was ja für Journalisten und Autoren schon den Tod bedeutet), darf man natürlich in der Regel nicht öffentlich eingestehen, aber sie bildet quasi das Hintergrundrauschen einer Öffentlichkeit in der alle professionellen Stimmen ohne Ausnahme abhängige Angestellte sind.
(Das ist übrigens auch der Grund, warum ich in der Beschreibung dieses Blogs so mit meiner künftigen Arbeitslosigkeit kokettiere. Ich habe keine ernsten Sorgen in der Richtung, aber die Notwendigkeit, auf einen Job hinzuarbeiten, übt einen gewaltigen Einfluss auf jeden aus, der irgendwann von seinen Worten und seinem Namen leben möchte. Das ist nicht zwingend verhängnisvoll, aber schlecht und lästig ist es doch, und man sollte damit so bewusst und offen umgehen wie möglich.)
(Das ist übrigens auch der Grund, warum ich in der Beschreibung dieses Blogs so mit meiner künftigen Arbeitslosigkeit kokettiere. Ich habe keine ernsten Sorgen in der Richtung, aber die Notwendigkeit, auf einen Job hinzuarbeiten, übt einen gewaltigen Einfluss auf jeden aus, der irgendwann von seinen Worten und seinem Namen leben möchte. Das ist nicht zwingend verhängnisvoll, aber schlecht und lästig ist es doch, und man sollte damit so bewusst und offen umgehen wie möglich.)
Nebenbei gesagt, gibt es noch einen Grund, sich mit der amerikanischen Paranoia aus den 50ern zu beschäftigen: Viele der damals geäußerten quasi-antisemitischen Verschwörungstheorien über eine finstere Unterwanderung der Regierung ähneln auf erstaunliche Weise dem, was man heute von den wirreren "Asylgegnern" manchmal hören kann. Die Parrallelen sind wirklich frappierend. Hier ist zum Beispiel ein interessantes Interview mit einer Frau, die in der faschistischen John Birch Society aufwuchs.