Seit heute beraten in Valletta die Vertreter der EU mit ihren Partnern aus Nord- und Ostafrika über ihre neue, vertiefte Zusammenarbeit angesichts der wachsenden Migrationsbewegungen. Was seit über einem Jahr in gemeinsamen Gesprächen, im Khartoum-Prozess etwa, aber auch in permanenten Gesprächen über Entwicklungs- und Migrationspolitik vorbereitet wurde, soll in den nächsten Tagen in Valetta in einer neuen gemeinsamen Politik der EU und Nordafrika festgelegt werden. Die EU will nicht nur den Nordafrikanischen Staaten helfen, die Migration besser zu kontrollieren und menschenwürdiger zu gestalten, sondern auch, da ist sie ganz offen, Mitarbeit dabei erkaufen, doch auch die Zahlen derer zu begrenzen, die den ganzen weiten Weg nach Italien schaffen. Die Festung Europa soll nicht erst in den internationalen Gewässern vor Lybien beginnen, sie soll mit den bald durch EU-Geld unterstützten Polizeikräften Ägyptens, des Sudans, und vieler anderer Staaten, die ihre Bevölkerung mit Gewalt unterdrücken, auch schon in der Peripherie seine Grenzposten haben. Auf welche fatale Weise da Prinzipien einer aufgeklärten Entwicklungspolitik unter die Räder geraten, habe ich vor fast zwei Wochen am Beispiel Eritrea ausgeführt - zu lesen hier im Migazin.
(Man könnte übrigens anmerken, dass die EU außer der normalen Entwicklungshilfe, über die ja auch gerade beschlossen wird, gerade mal kümmerliche 1,8 Milliarden für die Autokraten Nordafrikas als Extra eingeplant hat. Erdogan hat viel mehr gekriegt.)
Weil der Name Valletta mich an den ersten Roman Thomas Pynchons erinnerte, mir aber nicht gleich einfiel, worin genau die Verbindung besteht, gab ich es einfach in google ein. Dabei begegnete mir das folgende Zitat aus Pynchon's Roman "V.", welches entfremdet, aber erstaunlich stimmig, die Verwirrung der aktuellen europäischen Flüchtlingskrise beschreibt, in der ja auch die widersprüchlichsten Realitäten aufeinander prallen, gesetzliche und politische Strukturen zu wanken beginnen, und ehemals verlässsliche Wirklichkeiten über Nacht sich als aufgehoben erweisen. Wäre ich Syrer in Deutschland, ich könnte diese Ungewissheit nicht ertragen.
“He had decided long ago that no Situation had any objective reality: it only existed in the minds of those who happened to be in on it at any specific moment. Since these several minds tended to form a sum total or complex more mongrel than homogeneous, The Situation must necessarily appear to a single observer much like a diagram in four dimensions to an eye conditioned to seeing its world in only three.”
Bei Souciant erschien ein Artikel von mir über den Rechtsruck, den wir gerade in Deutschland erleben müssen, der sich aber, meiner Ansicht nach, schon lange Zeit untergründig ankündigte: "Return of the Repressed." In einer Serie von Artikeln, von denen der erste gerade erschienen ist, versuche ich dann direkt diese erstarkende alternative Rechte zu beschreiben, die da gerade eine authoritäre Politik neu erfindet. In "The New Nazism" stelle ich die unangenehme Frage, was es eigentlich heißt, wenn sich all diese Menschen, die wir gerne und sicher meist auch zu Recht als "Nazis" bezeichnen, sich nicht als solche selbst verstehen - sondern oft sogar behaupten, sie seien antifaschistische Freiheitskämpfer.
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