Communism

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Dienstag, 24. November 2015

Der Crash ist die Lösung (denn alles Leben ist Kampf)

Lehnert: Das ist aber auch diese Art von Gleichschaltung... Die Wege sind doch so gleichgeworden. Man macht die Schule, alle gleiche Laufbahn, man macht einen Verwaltungsjob, dann ist es klar, daß sich die Gesichter nicht ausdifferenzieren können. Das ist sozusagen die reine Erbmasse, die noch durchkommt. Nichts Erlebtes.

Kubitschek: Das berührt ja, weg vom Ideellen, die materiegebundene Grundlage des Konservatismus, und überhaupt der Lebensführung, und das ist ja das, was wir in der Sezession hoch und runter geleiert haben in den letzten zwei Jahren. Die Wirklichkeit ist nicht mehr so gestrickt für den Einzelnen, daß man aufgrund der Lebensnot schauen muß, ob man überhaupt durchkommt. Also daß man verflucht aufpassen muß, daß man die Weichen nicht falsch stellt. Heute kann alles abgefedert werden. Jeder Schicksalsschlag, jede falsche Entscheidung im Leben kann abgefedert werden dadurch, daß man unendliche Mengen Kompensationsmaterie nachkippen kann - zum Beispiel, um eine völlig verranzte Erziehung zu kompensieren. Das sieht man hier an den Schulen überall. Man erzieht die Leute nicht mehr, sondern man kompensiert, wenn sie verzogen rumstehen und noch nicht mal eine simple Lehre absolvieren können. Die werden mitgeschleppt auf Teufel komm raus, die hugnern und frieren nicht, die spüren von klein auf: Es geht immer ziemlich komfortabel weiter. Es wird immer alles kompensiert. Da hat dann der konservative Begriff vom Leben, unser Begriff vom Leben, überhaupt keine Chance mehr. Überhaupt in die Tiefe vorstoßen zu können ist ja nurmehr ein frommer Wunsch. Die Aushebelung des Schicksals, die Aushebelung der falschen Entscheidung hat das Konservative an sich zerstört. Also die Hierarchie, die Würdigung der besseren Leistung, die Würdigung der besseren Erziehung, die Würdigung der Anstrengungsbereitschaft, die Würdigung dessen, der Schmerz aushalten, der sich zusammenreißen kann, das ist ja alles passé. Sich nicht zu verkrümeln, wenn's drauf ankommt - das spielt keine Rolle mehr. All das, was ein Konservativer unterschreiben kann als notwendiges Sortierungskriterium innerhalb einer Gesellschaft - wenn das alles ausgehebelt ist, dann haben wir, mit unserer Weltanschauung, überhaupt keine Chance mehr. Das Schlimmste, was uns geschehen kann, ist das energetische perpetuum mobile, also daß es mit den materiellen Kompensationsmöglichkeiten immer weiter geht. 

[...]

Kositza: Das ist aber doch das, was Erik am Anfang sagte. Seit dreißig Jahren heißt's immer wieder, der große Knall kommt, bald, jetzt, demnächst... Der kommt aber nicht. 

Kubitschek: Wir haben vor 20 Jahren nicht geglaubt, daß es so bleiben kann, wir haben's vor zehn Jahren nicht geglaubt, daß es so bleiben kann, aber der Mensch ...
(Aus:"Tristesse Droite - Die Abende von Schnellroda." Antaios Verlag, 2015.)

"Der Crash ist die Lösung" ist der geniale Titel eines Buches der zwei Ökonomen Matthias Weik und Marc Friedrich, das vor einem Jahr erschien und in den Nachwehen der Finanzkrise und der Eskalation der europäischen Schuldenkrise einen ziemlichen Erfolg hatte. Mit der Vorraussage, der echte finanzielle Kollaps stehe noch bevor, traf es einen Nerv. Mit der grundlegenden Kritik an wachsenden Staatsausgaben und -schulden sowie den großangelegten "Rettungsprogrammen" haben die Autoren darüber hinaus die staatsfeindlichen Vorstellungen einiger echter Rechtslibertärer ebenso bedient wie das Gefühl des vermutlich größeren Teils ihrer Leserschaft, Opfer einer außer Kontrolle geratenen staatskapitalistischen und sozialstaatlichen Struktur geworden zu sein. Der Rat der Autoren: Bereitet euch vor! Flüchtet in Sachwerte! Unserer Wohlstand, unsere ganze Wirtschaft ist auf Sand gebaut, ist eigentlich schon gar nicht mehr real - alles, was uns heute umgibt, könnte sich schon morgen als eine gefährliche Täuschung erweisen. Aber der Crash wird auch sein Gutes haben: Er wird es uns ermöglichen, zu einer besseren, gesünderen, echteren, weniger abgehobeneren, konkreteren Form des Wirtschaftens zurückzukehren. Und wer jetzt schon seinem eigenen Verstand vertraut, sich nicht von den Durchhalteparolen der Systemeliten einlullen lässt, sondern sich vorbereitet, der wird sowieso zu den Gewinnern gehören. In der Zukunft werden das Maßhalten, das Sparen, der Fleiß, eben die - nicht nur im materiellen Sinne - echten Werte wieder zu ihrem Recht kommen. 

Ein anderes Buch der beiden Autoren heißt: "Der größte Raubzug der Geschichte: Warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden." Wer sich als fleißiges Mitglied der Mittelschicht (auch durch immer steigende Abgaben und Steuern) ausgepresst und übergangen fühlt, der kann auf den Zusammenbruch hoffen. Dann werden wieder, wie Götz Kubitschek es so eindrucksvoll sagte, "die Hierarchie, die Würdigung der besseren Leistung" als "notwendiges Sortierungskriterium innerhalb einer Gesellschaft" zu ihrem Recht kommen.

Zugegeben, genauso steht es nicht im Buch, but you get my point.

Es ist immer sehr erhellend die deutsche Rechte mit der amerikanischen zu vergleichen, u.a. um allzu simple Vergleiche mit dem Faschismus auszuschließen, die sich ja vielleicht manchmal zu leicht einstellen. Was zum Beispiel haben AfD und Tea Party gemeinsam - und was nicht? Was hat es zu bedeuten, dass es in den USA eine eigene Form der Reichsbürger gibt, die  Sovereign Citizens? Und was ist dann das deutsche äquivalent zu Preppern? Was ist die Verbindung zwischen (marktradikalem) Liberalismus und kulturell und sozial konservativen Einstellungen oder dem christlichen Fundamentalismus? Gibt es da einen echten Widerspruch oder vielmehr eine wirkmächtige Symbiose? Und was hat all das mit der typisch rechten Sehnsucht nach Krieg und offenem Kampf zu tun? Warum eigentlich war so vielen Konservativen nach dem 11. September die Freude darüber anzumerken, dass die Zeit des "ironischen", belanglosen [weibischen] Friedens vorbei sei? Warum ist Rechten der Frieden so unangenehm und was finden sie an Wohlstand ohne Anstrengung (für die unteren Schichten) so gefährlich? Und was ist diese Besessenheit vom Gold?

Ich könnte da ein ganzes Buch drüber schreiben.

(Lasse es aber besser für heute. Vielleicht hat es ja eh Fight Club schon am besten erklärt. Oder Corey Robin.)

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