Communism

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Samstag, 28. November 2015

"Ronald Reagan was an Actor, not at all a Factor"


Bei Souciant erschien von mir im November eine Serie von Artikeln. Im ersten schrieb ich über das Potential eines bürgerlichen rechten Revivals im Zeichen der Flüchtlingskrise (Return of the Repressed), in den restlichen drei Texten geht es um die sich formierende Alternative Rechte, die man ja auch, in Abgrenzung zu Konservativen und Nazis gleichermaßen, oft Neue Rechte nennt. Ich mag die Bezeichnung "Alternativ": das herausstechendste an ihnen ist ja gerade, dass sie sich in rechter Opposition zu unserer Gesellschaft als Ganzes verstehen. An einigen Stellen formuliere ich vielleicht etwas dramatisch, aber die letzten drei Texte sind alle an einem Wochenende entstanden. Wie man so sagt - unter dem Eindruck der Ereignisse. Ich hoffe, dass ich noch einmal zu dem Thema auf Deutsch was schreiben kann, falls sich jemand findet, der das veröffentlicht.


Immer wenn ich mich viel mit Rechten beschäftige, ist gerade Musik ein gutes Mittel gegen deren bedrückende Welt. Deshalb Killer Mike. Oder Anderes:

Letzte Woche saß ich im Zug zwischen Eilenburg und Mockrehna, auf dem Weg zu einer Veranstaltung auf dem Land, bei der ein Haufen sächsischer Kartoffeln (die kartoffeligsten aller Kartoffeln dieser Welt) einmal gründlich ihrer Angst, ihrer Frustration und Wut Ausdruck verleihen wollten. Es war eine merkwürdige Reise - allein, um dorthin zu gelangen, musste ich nach einer langen Zugfahrt in die Provinz fast eine Stunde durch die pechschwarze Nacht laufen. Es begleitete mich dabei ein Interview mit einem Vertreter einer anderen politischen Bewegung aus einer anderen "strukturschwachen" Gegend in einem anderen reichen Land, mit einer anderen Bevölkerung, die sich von ihren Eliten verraten fühlt - ein Interview mit einem Sprecher der Cooperation Jackson nämlich. 

Mississippi ist der ärmste Bundesstaat der USA. In der Hauptstadt Jackson kämpft man mit den Folgen der dramatischen Deindustrialisierung: Arbeitslosigkeit, Armut, permanente Stagnation, aber auch Umweltschäden. Die Cooperation Jackson ist ein Versuch, alle diese Probleme auf progressive Weise zu lösen und eine Alternative zum herkömmlichen Modell zu finden, das darin besteht, mittels niedrigen Steuern, niedrigen Gehältern, laxen Umweltstandards und miesen Arbeitsbedingungen um Investoren zu betteln. 

Es war nur Zufall, dass ich genau in diesem Moment dieses Interview hörte, aber es wirkte wie eine Aufforderung, die Wutbürger doch bitte im richtigen Maßstab zu sehen. So eine Bewegung wie die Cooperation Jackson mag zwar wenig Aussichten haben, die tiefen sozialen Probleme in Mississippi zu lösen, aber sie zeigt deutlich, dass selbst Menschen in sehr schwierigen Umständen in der Lage sein können, sinnvolle und vernünftige Ideen zu entwickeln. Und dass es auf politische Traditionen und Ideen auch ankommt. Wer weiß, vielleicht sähe es in Jackson ohne das Erbe der Bürgerrechtsbewegung und der Black Panthers ebenso trostlos aus wie bei den ostdeuschen Querfrontlern und Neo-Nationalisten. 

Über schlechte politische Ideen ist in der Zeit ein Artikel erschienen: eine Rezension des neuen Buches von Phillip Ruch nämlich. Ich habe Ruchs Buch (dem Ruch sein Buch) nicht gelesen, aber vieles, was Wolfgang Ullrich in seiner Rezension beschreibt, bestätigt das, was ich schon vor einigen Wochen über die Weltsicht des Zentrums für Politische Schönheit geschrieben habe. Das einzige was in der Rezension fehlt, und wo ich mich frage, ob es wohl auch in Ruchs Buch keine Rolle spielt, ist die Bezugnahme auf amerikanische Neokonservative und Fukuyama. Vielleicht dachte Ullrich sich aber auch einfach, er könne bei seinen Lesern eher ein schauriges Gefühl erzeugen, wenn er gleich die alten schlimmen deutschen 'Traditionslinien' auspackt (Romantik, Heidegger, Jünger, Schmitt, etc.), anstatt mit Fukuyama zu kommen. Ich persönlich finde die Nähe zu den Neokonservativen noch viel verstörender, denn, wie ich auch hier deutlich machte, ergibt sich daraus eine Begeisterung für den liberalen Interventionismus, der das ganze Projekt Zentrum für Politische Schönheit viel mehr in Frage stellt als es die verquast-altmodische Weltsicht von Ruch jemals tun könnte. 

Ich habe auch einen Artikel für das Migazin geschrieben, über den amerikanischen Wahlkampf und die schäbige Debatte um syrische Flüchtlinge, die dort gerade stattfindet. Der entscheidende Abschnitt: 
Seit ihrer Gründung schwanken die USA zwischen diesen Polen, einerseits Ort der Freiheit und Hoffnung für Arme und Verfolgte aus der ganzen Welt zu sein – aber eben auch Träger einer bis in die Geburtsstunde der Republik zurückreichenden Tradition des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit. Und die Partei, die sich heute am stärksten dieser nativistischen Tradition bedient, ist die Republikanische, Refugium des reaktionären Teils der weißen Mittelschicht.

Für die Republikaner gibt es da nur ein Problem: Auch ihre Strategen haben mittlerweile begriffen, dass eine Partei, die sich allein auf die schrumpfende weiße Mehrheit stützt, aber alle Minderheiten verprellt, auf Dauer keine Wahlen mehr gewinnen wird. Hinzu kommt, und dieser Faktor ist kaum zu überschätzen, dass ganze Wirtschaftszweige wie die Landwirtschaft und verarbeitende Industrien von billigen Arbeitern aus Lateinamerika abhängig sind. Viele der großindustriellen Spender, die den Kandidaten die Wahlkämpfe finanzieren, lehnen deshalb eine einwanderungsfeindliche Politik strikt ab – allen voran die mächtigen libertären Brüder Charles und David Koch, die für den laufenden Wahlkampf eine Spenderkoalition aufgebaut haben, die über ein Budget von fast 900 Millionen Dollar verfügt. Auch die Großspender aus Sillicon-Valley, die in diesem Wahlkampf zum ersten mal ihre ganze (Finanz-)macht zeigen werden, sind fast durchgehend für mehr Einwanderung – auch sie sind auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen.

Für das republikanische Parteiestablishment galt deshalb lange Jeb Bush als idealer Kandidat: Seine mexikanischstämmige Frau milderte etwas sein Image, Teil des uralten weißen neuenglischen Geldadels zu sein. Auch hatte er, als Gouverneur von Florida, bereits unter Beweis gestellt, dass er weiß, wie man die Stimmen von Latinos kriegt. Gleichzeitig aber ist er loyal gegenüber industriellen Interessen, blieb also beim Thema Einwanderung immer „moderat“. Gerade diese Zurückhaltung bei der Hetze gegen Einwanderer kommt bei der Parteibasis allerdings gar nicht gut an und seine Kandidatur gilt mittlerweile als so gut wie gescheitert. Die Parteibosse mögen ihn zwar schätzen, die Parteibasis tut es nicht.

Der einzige, den diese Dilemmata nicht hemmten, war Donald Trump. Als Milliardär ist er von Großspendern völlig unabhängig und auch die Zukunft der republikanischen Partei scheint ihm ziemlich egal zu sein. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, ohne Rücksicht auf irgendwen, kann er also der Basis das geben, wonach sie giert: Frauenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit – aber auch harte Kritik am republikanischen Parteiestablishment, das von viele konservativen Wählern völlig zurecht (wenn auch auf falsche Weise) als eine Ansammlung prinzipienloser, korrupter sell outs empfunden wird, die vollkommen in der Tasche von big business stecken. Kein Politiker pöbelt und beleidigt so gerne wie Trump, aber seine Sprüche richten sich eben nicht nur gegen die oft als übermäßig liberal empfundenen Medien, er spricht auch mit Bezug auf seine Parteigenossen schonungslos das aus, was alle denken: Jeder Präsidentschaftskandidat sei eigentlich schon vor der Wahl gekauft worden – außer ihm natürlich. Dafür lieben ihn seine Fans. Und auch bei der Hetze gegen mexikanische Einwanderer, die er als „Vergewaltiger“ und „Verbrecher“ diffamierte, musste Trump auf niemandes Gefühle Rücksicht nehmen.

Der Fall der syrischen Flüchtlinge bietet nun aber auch dem Rest der Partei eine Gelegenheit, die ausländerfeindliche Stimmung ihrer Basis zu bedienen, ohne ihren Geldgebern oder der wichtigen Wählergruppe der Hispanics auf die Füße zu treten.
Ich muss aber sagen, dass ich das ganze Phänomen Donald Trump nicht richtig ernst nehmen kann. Er wird niemals Präsident sein, da bin ich mir sicher - aber nicht, weil er zu rechts wäre, da mache ich mir keine Illusionen, sondern weil er nicht mit den traditionellen Machtzentren der Rechten kooperieren will. Das einzige, was er bisher wirklich erreicht hat, ist dann auch, der republikanischen Partei zu schaden. Ein Kandidat nach dem anderen, der sich als rechtspopulistische Alternative verkauft hätte (Ron Paul, Scott Walker, Ted Cruz, zuletzt Ben Carson) wurde von Donald Trump aus dem Rennen gestochen. Amerikanische Wahlkämpfe sind vor allem ein Kampf um Aufmerksamkeit, und da kann es mit Donald Trump niemand aufnehmen.  

Es war immer schon, spätestens seit Nixon '68, die zynische Strategie der Republikaner, für ihre genuin volksfeindliche Politik Mehrheiten zu beschaffen, in dem sie die hässlichen politischen Emotionen der reaktionären Mittelschicht bedienen: den Rassismus, den Nationalismus, den Anti-Kommunismus, den christlichen Fundamentalismus, den Anti-Feminismus, die Kriegsbegeisterung, die Verachtung für die Armen. Es gab in den letzten 50 Jahren keinen Republikaner und nur wenige Demokraten (unter denen sich Hillary Clinton nicht befindet), der da nicht mitgespielt hätte - wenn auch oft, wie gesagt, auf zynisch-kalkulierende Weise. George Bush etwa mag zwar persönlich tatsächlich kein Rassist oder Islamhasser gewesen sein (man lese nur diese wunderbare Rede, die er kurz nach 9/11 vor einer muslimischen Gemeinde hielt), als es aber darum ging, in der Bevölkerung Unterstützung im War on Terror zu finden, bediente sich seine Regierung selbstverständlich islamfeindlicher Stimmungen. Usw, usf, die Liste ließe sich ewig fortsetzen. 

Worauf ich hinauswill: Mainstreamkonservative sind nicht unschuldig. Sie haben immer schon bewusst niederste Instinkte bedient, um für ihre elitäre Politik Unterstützung zu finden. Dies hat über Jahrzehnte derart gut funktioniert, dass sie dazu gerne in Kauf nahmen, zur Entstehung einer sich immer weiter von der Wirklichkeit entfernenden, immer gemeineren, aggressiveren und paranoideren chauvinistischen Subkultur beizutragen. Solange die Verwalter dieser Subkultur in den rechten Medien nicht vergaßen, wessen Lied sie letztlich immer treu zu singen hatten (und solange es nicht allzu viele Tote gab) war alles gut.

In Donald Trump haben diese Menschen schlicht jemanden gefunden, der ihr dreckiges Spiel besser, weil hemmungsloser, spielt, und der es sichtlich genießt, dass er sich nicht von ihnen kontrollieren lassen muss. Seinen Fans geht es überhaupt nicht darum, eine bessere Regierung zu kriegen, oder an ihren eigenen Lebensumständen irgendetwas positiv zu ändern. Es geht ihnen einfach darum, ihre abstoßenden, trotzigen Gefühle ausgiebig auszuleben und genießen zu dürfen - und das ermöglicht ihnen Donald Trump. Eine politische Kraft aber sind sie nicht und werden sie nicht sein. Sie sind einfach das logische Resultat einer sehr erfolgreichen Strategie der reaktionären republikanischen Partei - einer Strategie, könnte man anmerken, die sich nach Jahrzehnten endlich totgelaufen zu haben scheint. 

Für die Republikaner, das zeigt Trumps Erfolg deutlich, gibt es keinen Ausweg. Sie werden es nie wieder schaffen, eine moderate Partei zu werden. Und das, das ist das schönste an Donald Trump, schadet auch Hillary Clinton, die sich nunehr weniger leicht als "notwendiges Übel" andienen kann, als einzig sichere Möglichkeit, einen Republikaner im weißen Haus zu verhindern. 

Sollte es nicht bald einen ernst zu nehmenden republikanischen Kandidaten geben, dann gibt es eine echte Chance auf einen Politikwechsel im nächsten Jahr.

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