Teil des sowjetischen Triumphdenkmals in Budapest |
Das Buch von Charles Whiting ist im Grunde eine true crime novel über die Ermordung des ersten Bürgermeisters des befreiten Aachen, Franz Oppenhoff. Aachen war die erste deutsche Stadt, die den Amerikanern in die Hände fiel, überhaupt die erste deutsche Stadt, die seit über Hundert Jahren von ausländischen Armeen besetzt wurde. Nach einem endlosen, sinnlosen Verteidigungskampf, der die Stadt fast gänzlich zerstörte, versuchten beide Seiten auf ihre Weise am Beispiel Aachen, auch der Propaganda wegen, ein Exempel zu statuieren. Die Amerikaner taten dies, indem sie möglichst rasch eine deutsche Zivilverwaltung einrichteten, um zu zeigen, dass Deutschland unter ihrer Besatzung eine Zukunft haben würde. Die Deutschen hingegen drohten gerade diesen "Kollaborateuren" noch in den letzten Kriegsmonaten und von hinter der Front mit dem Tod.
Die Drohung wahr machen sollte ein "Werwolf"-SS-Kommando, welches per Fallschirm im belgisch-holländischem Grenzgebiet abgesetzt wurde. Am 25. März 1945 wurde Franz Oppenhoff ermordet - er endete tatsächlich "wie Rathenau", wie er es schon bei seinem Amtsantritt befürchtet hatte.
Franz Oppenhoff war eine interessante Figur. Aufgrund seiner katholischen Überzeugung hatte er sich immer geweigert, der NSDAP beizutreten, was gerade in seinem Beruf - er war Anwalt - seiner Karriere nur schaden konnte. Zunächst verteidigte er vor allem Priester und katholische Orden gegen nationalsozialistische Willkür, aber schließlich übernahm er auch das Mandat vieler verfolgter Juden, vor allem bei Fällen illegaler Enteignung.
Gerade auch weil die Amerikaner ihm vertrauten, könnte man jetzt erwarten, es handele sich bei ihm um einen 'lupenreinen Demokraten', einen Vertreter 'westlicher Werte', etc. Die Wirklichkeit sah anders aus:
"Since the war Franz Oppenhoff has been celebrated in his home town as a democrat, an ideal to be held up to the rest of the nation for emulation. Yet it is hard to believe that he was what an Anglo-Saxon would understand by 'democrat'. He was more a representative of his class, his religion and his time.Capt Saul Padover, an American professor of history (who was admittedly prejudiced), interviewed the new Chief Burgomaster just after his appointment. The sykewar officer attached to Bradley's 12th Army Group geve this picture of the German. 'On soical and economic subjects Oppenhoff was candid to the point of bluntness. I am not sure that he understood the implication of his ideas, or that Americans might view them with distrust as being aggressively anti-democratic, but at any rate he was not a practitioner of the art of concealment. 'The whole nation,' he said, 'can be divided into two categories, those who obey and those who command. Most Germans are afflicted with the sicknes of Kadavergehorsamkeit, obeying any order like robots, even against their innermost convictions. At the same time these cadaver-obeyers are full of suspicion against each other and hatred for those in authority. This disease, compounded of servile obedience and blind hate, explains Germany's class conflicts and the existence of forty political parties, which, before Hitler destroyed them all, were constantly at each other's throats. I can only hope and pray that the Americans are not going to be foolish enough to permit Germany to have political parties. Heaven help us if parties are allowed to exist. Dann ist alles aus.'''As a substitute for political parties, he favoured an authoritarian (but not totalitarian, a distinction without a difference) social structure, not unlike that of Mussolini, Franco, Pétain and such like. He wanted to see the establishment of a labour economy consisting of skilled artisans and divided into masters and apprentices, with the masters in absolute control. Workers were to be placed in fixed categories, without any right to political action or economic demands. No political organization of any kind was to be permitted. No trade unions were to be tolerated. Oppenhoff spoke with impassioned eloquence: 'I want to see a small-scale industry organized on paternalistic lines. An employer must have responsibility for his workers, as if they were members of his own family. If we set up such a system we would never have any need for agitations, votings or elections. This is my idea of democracy, true democracy.'"
Das also war der erste Bürgermeister einer befreiten deutschen Stadt nach dem Krieg. Viel interessanter als den Antiparlamentarismus finde ich dabei, dass er offenbar der Ansicht gewesen ist, die Organisation der Arbeitsverhältnisse sei die zentrale Stütze einer jeden Gesellschaftsform: So wie der Chef seine Arbeiter, so würde dann auch die Regierung die Gesellschaft im Griff haben. Bei Politik, vor allem bei rechter Politik, geht es immer um die Kontrolle ganz konkreter Personen in ganz konkreten Umständen. Vorlieben für bestimmte politische "Systeme" erwachsen daraus erst. Für Oppenhoff stand die Organisation der Arbeit absolut im Vordergrund - dass Männer ihre Familie im Griff haben sollen, stand für ihn offenbar nicht einmal in Frage.
(Witzig finde ich auch, dass er die heuchlerische Distinktion zwischen authoritären und totalitären Regierungen schon kennt - ich dachte immer, die sei erst im Kalten Krieg erfunden worden.)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen