Communism

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Mittwoch, 30. Dezember 2015

"Moderne Antimoderne: Arthur Moeller van den Bruck und der Wandel des Konservatismus" von Volker Weiß



Leider fehlt mir gerade die Muße, um dieses Buch ausführlich zu besprechen. Es ist aber sehr gut: nicht nur ein Poträt eines faszinierenden reaktionären Intellektuellen, sondern auch eine Darstellung der Radikalisierung des deutschen Nationalismus seit dem Kaisserreich. Diese Entwicklung, vom altmodischen Imperialismus hin zu einer modernen, ultraagressiven völkischen Bewegung, betrieb Möller van den Bruck wie kein zweiter.

Dabei trug sein Hauptwerk zwar den Titel "Das dritte Reich" (1923), Teil der nationalsozialistischen Bewegung war er aber nicht - schließlich war diese bis zu Möllers Selbstmord im Jahr 1925 wenig mehr als ein bayrisches Lokalphänomen. Das lange Leben und Wirken van den Brucks - vom reaktionären Boheme, Ästheten und Architekturtheoretiker in der Kaiserzeit, zum staatstreuen Kriegspropagandisten im Weltkrieg, bis schließlich zum faschistischen Kulturfunktionär und Networker der republikfeindlichen Bewegung - bietet eine Gelegenheit, sich einmal mit dem deutschen Faschismus abseits des Nationalsozialismus zu beschäftigen. Für diese Faschisierung des konventionellen deutschen Nationalismus steht sein Name.

An den Nazis war zwar vieles sehr spezifisch, sehr besonders, aber sie trafen auf eine bürgerliche Kultur, die bereits 90% des Weges unabhängig von ihnen gegangen war. Auch wenn viele Reaktionäre, wie van den Bruck ja auch, in einigen Fragen gewisse andere Abzweige genommen hatten, führte der Weg, den sie beschritten hatten, doch in ein und die selbe Richtung. In dem Kontext ist es sehr interessant, dass solche nach heutigen Maßstäben unbürgerliche und fanatisch irgendwelchen revolutionären Irrationalismen anhängende Intellektuelle, wie sie sich um Möller van den Bruck etwa im Juniklub versammelt hatten, unmittelbar von der Großindustrie oder vom Bankenwesen finanziert wurden - vielleicht war es naiv von mir, aber mich hat das, weil es ja noch so früh in der Republik war, überascht.

Das Buch ist auch als historische Darstellung sehr beeindruckend, denn Volker Weiß gelang es, eine Geschichte von Ideen und Positionen zu schreiben, die alles andere als abstrakt ist, sondern selbst ästhetische und kulturelle Diskussionen als eng mit der gesellschaftlichen Entwicklung verflochten darstellt und damit erfahrbar macht, was ihnen damals ihre Relevanz und Dringlichkeit verlieh. Ich hätte zumindest nicht gedacht, dass ich mich für die Architektur der späten Kaiserzeit jemals so interessieren würde. Auch die Bedeutung van den Brucks für die Dostojewskirezeption ist mehr als nur ein faszinierendes Detail seiner Biografie: Dostojewskis Gesamtwerk hatte van den Bruck zwar nicht übersetzt, aber er gab es heraus und versah es mit Vorworten, welche für die in der Zwischenkriegszeit weit verbreitete antiwestliche Russlandromantik wichtige Impule lieferte. 

Manchmal habe ich das Gefühl, dass zumindest einige Menschen hier in Ostdeutschland gerade ganz privat die 20er Jahre wieder auferstehen lassen wollen - dieses ganze faschistische und potentiell antisemitische Querfrontgerede, dieser Hass auf den Liberalismus und diese Liebe zum echten, alten, treuen Russland, die paranoide Wut auf unsere ausländischen Unterdrücker, und der verquere, falsche Antikapitalismus - also all das, was Elsässer & Co wieder auf die Straßen bringen wollen: diese ganze deutsche Scheiße. Zugegeben, allzu leichtfertige historische Vergleiche, und besonders das N-Wort, helfen bei der Analyse der heutigen Bewegungen oft nicht weiter, verstellen den Blick viel mehr, aber dennoch ist es bemerkenswert wie sehr diese Bewegungen zumindest in Teilen ein Revival des Faschismus der Weimarer Zeit vollziehen. Es ist gespenstisch. Gerade bei Elsässer, dem ja im Gegensatz zur Mehrheit seines Publikums alle diese historischen Bezüge und Äquivalenzen klar sein müssen, die er in seiner eigenen Demagogie vollzieht, handelt es sich wohl auch um eine bewusste Reaktivierung von Vorstellungen, die sich ja schon einmal als effektiv und mobilisierend bewiesen hatten. Bewusst, kalkulierend, manipulativ, so geht Elsässer meiner Ansicht nach vor.

Letztens habe ich  übrigens eine Ausgabe des Compact-Magazins (Thema war die "Asylflut") im Warteraum eines Arztes (!) gefunden. Was mich am meisten überrascht hat, ist die große Zahl an ehemaligen konservativen Politikern, mit denen Elsässer mittlerweile aufwarten kann. Das gäbe einen guten Magazin-Artikel ab, eine Forschung nach diesem erstaunlichen Phänomen der alten, eigentlich schon ausgedienten CDU-Parteisoldaten, die zwar in den Regierungen saßen, aber niemals wirklich ganz an der Spitze, für die sich also nach ihrer Pensionierung zumindest in den Medien niemand mehr interessiert und die dann auf ihre alten Tage - wohl aus Geltungssucht? - noch zu den Rechten gingen. Bei der AfD gibt es ja auch einige solcher Typen, am prominentesten Alexander Gauland.

Faschismus ist voll nerdig: Bismarckdenkmal in Hamburg, 1906(!) fertig gestellt.
    

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