Zunächst einmal, dass
man von beiden ständig in der Zeitung liest. Ich glaube zwar kaum,
dass besonders viele Menschen jeden Morgen brennend auf das
Allerneuste von Hillarys Wahlkampagne oder diesem neo-preussischem
Repräsentanzbau warten, aber so ist es nun mal. Denn das haben sie
auch gemein: Beide haben offenbar eine gut bezahlte und gut vernetzte
PR-Abteilung, die dafür sorgt, dass es das Thema immer wieder in
deutsche Zeitungen schafft – im Fall von Hillary wie auf Kommando
zum offiziellen Beginn ihrer Kampagne in der letzten Woche.
Und das ist noch nicht
alles: Beide sind langweilig, überflüssig, lange nicht mehr
zeitgemäß und demnächst werden eine Menge reiche Menschen sehr
viel Geld für sie bezahlen. Bloß dass die Milliarden, die Hillary
Clinton für ihren Wahlkamp sammeln möchte, für die
amerikanische Elite eine gute Investition sein werden. Sie kriegen
weitere vier Jahre business as usual,
die anderen nur ein Stück gefakte Barockfassade.
Vielleicht
gibt es aber auch wirklich eine schweigende Mehrheit, die in
freudiger Erwartung auf die Vorbereitungen für ihr neues Schloss
blickt, und vielleicht sind diese Menschen echt, die auf Hillarys
Twitter-Feed mit selbstgebastelten Schildern am Straßenrand stehen
und sie auf ihrer Bustour durch die fly-over-states
jubelnd begrüßen. Vielleicht gab es auch wirklich beglückte
Iraker, die 2003 der Invasionsarmee Rosenblüten vor die Panzerketten
streuten.
Das
beleidigstende an beiden Phänomenen ist dann auch, dass sie
irgendwie Enthusiasmus verlangen,
in Wirklichkeit aber nichts aufregendes zu bieten haben. Stadtschloss
wie Hillary sind Ausdruck tiefer Stagnation und Ideenlosigkeit und
interessieren eigentlich keinen Menschen. Dementsprechend gut müssen
sie verkauft werden: Everyday Americans need a champion.
Mach Geschichte. Spenden Sie...
New Adventures. New Chapters. Endlich gewinnt die Mitte
Berlins ihr ursprüngliche Identität zurück... This starts with
you.
Doug Henwood hat in einer
ausführlichen Titelstory für das liberale Harper's Magazin
bereits vor einigen Monaten erschöpfend den case against Hillary
dargelegt. Als echter Linker spürt er keinerlei Loyalität
gegenüber der demokratischen Nomenklatura und hat also nicht einmal
Hemmungen, einige der notorischen Clinton-Skandale (wie Whitewater) wieder hervorzuzerren, die man in gesitteten Kreisen eigentlich
nicht mehr erwähnen sollte, nachdem sie in den 90er Jahren von den
barbarischen Gingrich-Republikanern so aggressiv ausgeschlachtet
wurden. Aber wie gesagt, Henwood genießt es offensichtlich die
demokratische Parteidisziplin von links zu unterwandern und
dementsprechend vernichtend fällt sein Urteil aus:
"American political culture has become thoroughly, perhaps fatally, sclerotic. A country that looks more and more like a frank plutocracy, with a deeply alienated and atomized population and rotting social and physical infrastructure, needs something fresher than another Clinton. (That her opponent could be yet another Bush is even more depressing.)"
Natürlich sollte man
zugeben, dass Hillary Clinton seit mindestens 20 Jahren eine der
meistgehassten Frauen Amerikas ist, und dass man sich, wenn man sie
nicht mag, in ziemlich abstoßende Gesellschaft begibt. Und auch,
dass diese Abneigung sehr viel damit zu tun hat, dass sie eine Frau
ist, aber nicht so pleasant
und ansprechend wie man das als Frau in der Öffentlichkeit besser zusein hat.
Wenn man sie also trotzdem nicht mag, sollte man sehr präzise in der
Begründung sein.
Hillary Clinton ist ein
Symbol für den Ausverkauf der demokratischen Partei, die zwar, und
kaum jemand besser als sie, immer noch tief bewegt mit den Phrasen
des Populismus und der Bürgerrechtskämpfe hantieren kann, aber
letztlich nur eine freundliche Variante des neoliberalen Militarismus
der Republikaner anbieten kann. Es ist ein Klischee zu sagen, die
beiden amerikanischen Parteien seien gleich. Und es stimmt auch nicht
ganz: In Wirklichkeit gibt es eine Rechte, die in den letzten
Jahrzehnten mit enormer Energie und Dynamik das ganze Land
umgestaltet hat – und es gibt eine Demokratischen Partei, die
ungefähr im Jahr 1988 beschlossen hat, das es sinnlos ist, dem
prinzipiell noch Widerstand entgegen zu setzen und seitdem ihr bestes
gibt, sich dem offenbar reaktionärem Mainstream anzubiedern. Wenn
man die Stagnation und Resignation des heutigen amerikanischen
Liberalismus und die Zahnlosigkeit der Demokraten verstehen möchte,
muss man zurück in die 80er Jahre gehen, zur Geburtsstunde der „New
Democrats“ um das Democratic Leadership Council.
1988 hatten gerade die
Demokraten zum dritten mal in Folge die Präsidentschaftswahl
verloren: Auf acht Jahre Ronald Reagan folgte übergangslos sein
Vize-Präsident George Bush. Heutzutage sind Historiker immer mehr
der Ansicht, dass der konservative backlash gegen die progressiven
Errungenschaften der 60er Jahre und die New Deal-Wohlfahrtsordnung
bereits zu Nixons Zeiten, damals weitestgehend
unbemerkt, die politische Hegemonie errungen hatte und die Zukunft
bestimmen sollte, aber spätestens 1988 schien es, als habe die
Geschichte (und der amerikanische Wähler) gesprochen: Mit
Wohlfahrtsstaat und sozialem Liberalismus würde in Zukunft keine
Wahl mehr zu gewinnen sein. In den 80ern hatte noch Jesse Jackson
versucht mit einer „Regenbogenkoalition“ eine progressive
Mehrheit für die Demokraten zu finden, aber nun war klar: wer nicht
zumindest irgendwie Zugeständnisse an die Ressentiments der
konservativen weißen Bevölkerung macht, wird niemals Präsident.
Das zumindest war die Analyse des Democratic Leadership Council,
einer parteiinternen Organisation, die den Plan verfolge 'moderate'
Demokraten zu unterstützen und linkere Elemente in der Partei zu
isolieren.
Und der Erfolg gab ihnen
Recht: Bill Clinton, seit 1990 Vorsitzender des DLC, gewann
tatsächlich die Wahl und sein 'moderner' Liberalismus des Third Way
war tatsächlich die bestimmende Ideologie der neuen Zeit. Europas
Sozialdemokraten, orientierungslos nach dem Ende des Kalten Krieges
und auf der Such nach einer neuen Identität am 'Ende der
Geschichte,' folgten seinem Vorbild und griffen dann auch oft, so wie
er, den Sozialstaat härer an als es ihre konservativen Vorgänger
gewagt hätten (Clinton war in dieser Hinsicht härter als Reagan,
Schröder als Kohl, usw.)
Das DLC verstand sich
bewusst als Vertretung eines moderateren Kurses, der die Demokraten
an den zunehmend konservativen Konsens annähern sollte. Nur war
dieser Konsens damals bei weitem noch nicht so weit nach Rechts
gerückt wie heute. Das erklärt wohl, warum viele der konkreten
Maßnahmen, die das DLC vertrat, auch heute noch durchaus
sozialdemokratisch wirken würden: Eine echte allgemeine
Krankenversicherung (aber schon damals, da hat das Elend begonnen,
eher skeptisch gegenüber einem single-payer-System!), höherer
Mindestlohn, höhere und progressivere Steuern, etc. Und was man auch
immer von Bill Clinton halten mag, eine sozialdemokratische
Grundabsicht kann man ihm kaum abstreiten. Die Geschichte des DLC,
sehr interessant dargelegt von Jon Hale, zeigt aber gerade deshalb
gut, dass es in der Politik auf Absichten
überhaupt nicht ankommt, sondern auf viel grundlegendere Dinge.
Da
wäre zum ersten die Organisation:
Ein Grund für den enormen Erfolg des DLC war seine feste Struktur,
wie eine Art partei-interner Kader, der eigene Programme und Ideen
veröffentlichte und vor allem gegenseitig stark loyal war und sich
dabei unterstütze, die Macht über die Partei zu erlangen. Finanziert
wurde das durch großzügige Spenden aus der Industrie, die damals
begann, die Demokratische Partei wieder für sich zu entdecken. Hale
schreibt:
„The annual budget of the post-1988 institutionalized DLC reached and surpassed the $2 million mark, with corporate sponsorships bringing in substantial portions. Of one hundred DLC Sustaining Members in 1991-1992, fifty-seven were corporations and another twelve were professional or trade associations. The energy, health care, insurance, pharmaceutical, retail and tobacco industries were all represented.“
Wie
man sieht, war das DLC auch darum bemüht, die soziale
Basis der Patei zu ändern. Seit
etwa 1964 wurden die Demokraten als die Partei der Armen, der
Minderheiten, des Feminismus, der Counter Culture, und der
Sozialliberalen wahrgenommen, alle jene Gruppen also, welche in der
Wahrnehmung der reaktionären Mittelschicht durch ihre wachsende
gesellschaftliche Macht eine Bedrohung darstellen. Schon Nixon
erkannte das enorme politische Potential dieser Tatsache und seitdem
hatte die Republikanische Partei immer wieder ein Szenario der
(kulturellen) Bedrohung errichtet und ausgebeutet, um die weiße
Mittelschicht an sich zu binden: das war die SouthernStrategy und sie
funktioniert im Grunde heute noch. Das DLC wollte nicht länger Opfer
dieser Strategie sein, sondern – mitmachen:
„The major points of contention are largely confined to trade and affirmative action issues. The New Democrats are more closely tied to business than to organized labor and take pains to distance themselves from Jesse Jackson's Rainbow Coaltion. In the end, the New Democrats' message is one thing, its agenda another. In attacking the liberal fundamentalist, the DLC is signaling to swing voters in the white, middle class that Democrats are not exclusively black, feminist, gay, and liberal.“
Jetzt
kann man natürlich einwenden, dass dieses Erbe von der
demokratischen Partei überwunden wurde – ihre große Stärke ist
ja gerade, dass sie in den wachsenden Minderheiten eine feste Basis
hat. Auch hat sich die amerikanische Gesellschaft seit den 80ern
kulturell extrem liberalisiert und es ist einer der Gründe für die
schlechten nationalen Chancen der Republikaner, dass sie diese
Entwicklung nicht annehmen können (außer ihr libertärer Flügel,
weshalb sie so viel Geld in solche absurden Gestalten wie Rand Paul
investieren). Aber ganz so einfach ist es leider nicht.
Die
entscheidende Frage lautet: Aus welchen Gründen
waren (und sind) die Republikaner so eine rückständige, homophobe,
ausländerfeindliche, rassistische und generell kulturkonservative
Partei? Kann das wirklich deren Ernst sein? Ich glaube nicht. Okay, Nixon hat,
das weiß man mittlerweile, ganz authentisch die Wut gepackt, wenn er
nur an aufmüpfige Schwarze oder reefer-smoker
denken musste. Und Reagan hat wirklich aus tiefstem Herzen Hippies
gehasst. Aber im Grunde sind die republikanischen Parteieliten doch
überhaupt nicht so anders als die „liberalen Eliten“, gegen die
sie immer hetzen: reich, gebildet, kosmopolitisch, mögen
wahrscheinlich Sex und Drogen. Und sie sind bestimmt auch selten
echte, altmodische Rassisten. Nur Idioten wären doch heute noch
gegen die Homo-Ehe und die republikanischen Strategen sind keine
Idioten, im Gegenteil, sie sind sehr klug. Klug und machtbewusst und
kalkulierend.
Man
muss sich also eingestehen, dass selbst der unterschwellige, kodierte
Rassismus immer auch reine, kalte Strategie war. Aber Strategie wozu? Einmal natürlich zur Macht, zum
Schmieden eines festen rechten, christlichen, weißen Wählerblockes.
Aber die Instrumentalisierung des Rassismus hat noch etwas anderes
erreicht: Noch in den 60er Jahren war die große Mehrheit fest vom
Sozialstaat überzeugt. Sie sah Armut als eine nationale Schande an,
unterstützte Gewerkschaften, staatliche Renten,
Arbeitslosenversicherung. Republikaner hatten ein wenig das Image
einer elitären WASP-Industriearistokratie und wenige wären auf die
Idee gekommen Friedrich von Hayek oder Ayn Rand auch nur Ernst zu
nehmen.
Was
hat sich seitdem geändert? Wie haben es die Republikaner nicht nur
geschafft, sich ein populistisches Image zu geben, sondern die Art
und Weise, auf die Amerikaner über Armut und Sozialstaat denken, so
fundamental zu ändern? Eben durch Instrumentalisierung von
Rassismus. In den 60ern war noch, sagt man immer, das Gesicht der
Armut weiß. Schon bald, und noch heute, waren die meisten Menschen
der völlig irrigen Ansicht, das Armutsproblem in Amerika betreffe
vor allem Schwarze. Und damit kam ein ganz neuer Blick auf die
Unterschicht, eine Rückkehr zum alten sozial-darwinistischem script:
sie war nicht nur schwarz, sondern auch noch faul, verlogen,
kriminell, unmoralisch, hatte zu viele Kinder, war dumm, ungebildet,
ernährte sich schlecht und war allgemein eine Bedrohung für alles
was gut und richtig ist auf der Welt (vor allem den
Industriestandort). In anderen Worten: Arme waren völlig anders als
der gute Teil der Gesellschaft und auch noch darauf aus, auf dessen
Kosten zu leben. Wenn also heute die republikanische Partei
Millionären die Steuern kürzen will, während die meisten normalen
Menschen immer mehr zum Beispiel ihre Bildung oder
Gesundheitsvorsorge privat finanzieren sollen, wird das von Millionen
mitgetragen, weil ihnen über Jahrzehnte eingeredet wurde, dies sei
der einzige Weg, um zu verhindern, dass bestimmte Leute
sich auf ihre Kosten ein leichtes Leben machen. Und das steht ganz
grundsätzlich hinter dem ideologischen Erfolg des Neoliberalismus:
während die meisten anderen gesellschaftlichen Vorurteile und
Diskriminierungen langsam schwächer werden, nimmt unter dem
Deckmantel des Individualismus die Verachtung für die Unterschicht
eher zu: wer arm ist, ist selbst daran Schuld und ist eher Bedrohung
und Schmarotzer als Staatsbürger. Solange Hillary Clinton dem nicht
entgegen tritt, bleibt sie trotz ihres sozialen Liberalismus Erbe der
southern strategy.
Wenn
man sich jedoch ihren seit fühlbar ewigen Zeiten schon laufenden
Wahlkampf ansieht, muss man sich eingestehen, dass sie bei allem
aufgesetzten populistischen Flair keines dieser Probleme
grundsätzlich angehen will. Genauso wie das DLC damals, sieht sie
scheinbar die Herausforderung vor allem in der Herstellung eines
besseren Images, nicht in tatsächlichen ideologischen
Auseinandersetzungen. Dies ist sehr gut von Elaine Kamarck und
Willaim Galson beschrieben worden, zwei der Vordenker des DLC:
„Since the late 1960s, the public has come to associate liberalism with tax and spend policies that contradict the interests of average families; with welfare policies that foster dependence rather than self-reliance; with softness toward the perpetrators of crime and indifference toward its victimgs; with ambivalence toward the assertion of American values and interests abroad; and with an adversarial stance toward mainstream oral and cultural values.“
Und
die Lösung für ein schlechtes Image ist nicht die ideologische
Auseinandersetzung, sondern, na ja, ein besseres Image eben. Phrasen.
Für die New Democrats
also nicht nur ideolgoische Anpassung, sondern vor allem die
Übernahme des Vokabulars
des konservativen Mainstreams, mit der Überzeugung: es hat keinen
Sinn dem Jargon der rechten Marktwirtschaft entgegen zu treten,
überhaupt, was sind schon Ideologien, wir sind schließlich nicht
rechts, nicht links, sondern 'modern'. Der 'dritte Weg' eben.
Und so hört sich das
dann an, in der DLC „New Choice Resolution“ von 1992:
„opportunity, responsibility, community, and national security.“
Also Wettbewerb und Ablehnung von affirmative action (opportunity),
Kriminalisierung der Unterschicht und Angriff auf den Wohlfahrtsstaat
(responsibility), community (bedeutet überhaupt nichts) und
endloser, weltweiter Krieg auch nach dem Ende der Sowjetunion
(national security). Die Weichen waren gestellt.
Was uns dann zum Verkaufen eines anderen eigentlich schlechten Projektes bringt, dem Berliner Stadtschloss. Es ist vor allem diese Art
und Weise mit Phrasen hinter vermeintlichen öffentlichen
Befindlichkeiten hinterherzureden, wie es jeder Vermarkter
politischer Projekte beherrschen muss, die einen auch beim Stadtschloss anspringt. Das hier stand zum Beispiel in der letzten Woche in
der ZEIT:
"...doch weiß niemand recht zu sagen, wozu das neue Schloss gebraucht wird. Es mangelte nicht an beschwörenden Reden, Kongressen und pseudoklugen Ausstellungen. Eine Leere ist geblieben. [...] es ist nicht einfach eine räumliche, es ist eine mentale Leere. Geschuldet ist sie überhöhten Erwartungen, einem Verlangen nach Pathos und Glanz. Das Humboldt-Forum darf nicht einfach nur Museum sein, für völkerkundliche und wissenschaftliche Schaustücke, nein, es soll eine nationale Botschaft verkünden: Hier würde das Land seine verlorene Mitte wiederfinden. Hier könnten sich die Deutschen mit sich selbst und der Welt versöhnen.Was MacGregor [irgendein britischer Experte für Museen oder so] da hätte ausrichten können? Abrüstung vor allem: die Erwartungen dämpfen, das ideologische Begehren enttäuschen. Die deutsche Nation, das hätte er sagen müssen, braucht keine Event- und keine Diskursbude. Ein redliches, ein kluges Museum, damit wäre schon viel gewonnen. Ein selbstständiges, von keinen politischen Interessen unterfüttertes Haus, glanzvoll aus eigenem Recht. Um das fordern, um die geschichtsphilosophische Leere mit Begeisterung für das Erreichte füllen zu können..."
Wie unehrlich, wie völlig
feindlich gegenüber der Wahrheit muss man sein, um so ein
feuilletonisiertes Marketing-Geschwätz zu produzieren? Wer gibt sich
für so was her? Es ist nicht nur diese falsche altehrwürdige
Sprache („Pathos und Glanz“, „Diskursbude“) die so dumm und
hässlich ist – ein bisschen wie das Schloss ja auch, eben eine
falsche Musealisierung der Gegenwart. Am meisten stößt mich ab, wie
der Autor einerseits so auf nüchtern macht und gegen ein
übertriebenes Projekt der „geschichtsphilosophischen“ nationalen
Sinnfindung anschreibt, in Wahrheit aber mit ein paar gut gesetzten
Wortschablonen genau das nationalistische Selbstgefühl des
langweiligen neo-Bürgertums bedient, das ja gerade das Schloss so
geil findet. Wir sind nicht das alte Bürgertum, wir brauchen keinen
aristokratischen Glanz und alten Nationalstolz. Wir sind auch nicht
oberflächliche Konsumenten wie die Amerikaner, wir brauchen keine
„Eventbude“. Nein, wir sind deutsch: „redlich“, „klug“,
(gegenüber Südeuropäern nüchtern, aber gerecht!), „glanzvoll
aus eigenem Recht.“ Wir sind keine Nationalisten, wir sind nur
voller „Begeisterung für das Erreichte.“ Bah.
Wie passend dann auch,
dass die Vermarktung des Schlosses von einem waschechten preußischen
Adeligen betrieben wird, Wilhelm Dietrich Gotthard Hans Oskar von
Boddien, geschmackvollerweise gleich nach jedem seiner im Krieg
gefallenen Verwandten einzeln benannt. Man muss es einfach erwähnen,
er ist so unsympathisch: wer Geld für das Schloss spendet,
finanziert diesem gescheiterten Unternehmer gnädigerweise ein großes
Gehalt (100.000+) und ein angenehmes Millionenbudget um Werbung in
eigener Sache zu machen (er ist eben auch "tatenfroh und opferbereit", s. Bild). Und wenn man nicht spendet, ist das auch
nicht schlimm. Sollten die 105 Millionen wider Erwarten nicht bald
zusammen kommen wird einfach das Land Berlin bezahlen. Wofür
saniert man den Haushalt denn auch, wenn man sich nicht ab und zu was
leisten kann?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen